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Tonträger des Monats November / Ö

EAV: „EAVLICHE Weihnachten. Ihr Sünderlein kommet“, digital / 2 CD, 2 LP inkl. lim. Buch, VÖ 5. 11. 2021

Die Idee stammt aus dem Jahr 1979. Damals tourte eine wilde Rock-Kabarett-Partie durch Deutschland, sorgte etwa für einen sagenumwobenen Auftritt in Hamburg und nahm eine ziemlich weihnachts-kritische Single auf. Seit damals ist viel passiert, die EAV wurde mit wechselnder Besetzung zu einem der wichtigsten „Exportschlager“ im deutschsprachigen Raum. Alle haben wir ihre Hits wie „Märchenprinz“ rauf und runtergehört, schon seltener ihre politischeren, gegen den Mainstream gebürsteten Songs. EAV-Mastermind Spitzer musste zuerst sich selbst überzeugen, dann Weggefährten wie Gert Steinbäcker (STS), aber auch Kollegen wie Willi Resetarits, Turbobier oder die wilden Steirerbuam von Horst. Endlich, nach 42 Jahren ist sie also da, die Weihnachts-Anti-Weihnachtsplatte. Und sie ist richtig spannend geworden. Bockig, rockig, fetzig, bissig, abwechslungsreich. Viel besser und stärker als man das wohl hätte erwarten dürfen. Ein paar Nummern werden die Radiostationen schon spielen. Aber etliches – und wir reden immerhin in Summe von 16 Songs – wird man sich wohl kaufen müssen, um es kennenzulernen. Und wir meinen das sehr ernst: Die Platte tut gut in den Wochen vor dem großen Konsumrausch. Weil sie sich, wie man so schön steirisch sagt:
Nix scheißt.

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MY WICKED WICKED WAYS: „King of Flies“, Pumpkin Records, VÖ 23. 10. 2021

Das dritte Album der Grazer Partie beginnt folkig, aber Zakk E. Rust aka Markus Kertz sowie Petra Höfler, Daniel Berger, Roland Urban und der aus NY retour gekommene Drummer Peter Lenz haben weit mehr drauf und das führen sie auch in aller Gelassenheit Stück für Stück vor. Querflöte, E-Bass und sogar ein Hackbrett erweitern den üblichen Rock-Rahmen und das scheint dem Quintett auch einigermaßen wichtig zu sein. Lautet doch ein Motto, das man deutlich ins Innere der CD geschrieben hat: „Oh how I hate it to hear the same things over and over and over again.“

Die Gefahr gibt es hier wahrlich nicht. Die Vielfalt beschränkt sich übrigens nicht nur auf Genres, sondern auch auf die Zeitebene. Man hätte bei einer „Blindverkostung“ sicherlich keine Ahnung, aus welchem Jahrzehnt die Platte stammt. Getragener Rock mit leicht hysterischem Unterton wird hier ebenso geboten wie 70er Sounds („Payback“), schwergewichtiger Indie („Yours forever“) und so was wie Pop, der sich ins Gruselige dreht („Trapped“). Die vielleicht überraschendste Nummer ist dann „Divisions“ ehe es mit „Beautiful“ einen subtilen Schlusskanon gibt. Ein Trip durch die Musikgeschichte des letzten halben Jahrhunderts ist im Programm also inkludiert.

Mehr als zehn Jahre gibt es mwww schon, immer ein bisschen im Schatten, aber gerade deswegen eine besonders interessante Band. Apropos: Wenn alles gut läuft, spielen die Wickeds am 26. 11. in Feldbach im Glam. Wenn wir an diesem Abend nicht hackeln müssten, würden wir glatt hinfahren. Und weil Zakk E. Rust uns sehr direkt nach unserer Meinung gefragt hat:

Sehr schöne Platte, Mann!

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SCHTUM: „Sequencing detachments“, VÖ 29. 10. 2021

Was Ärgeres und auch irgendwie Größeres werdet ihr in diesem Jahr aus Österreich nicht mehr hören. Die Sounds des Albums stammen zwar von Gitarre, Bass und Bass-Drum, wurden aber durch Effekt-Pedale gejagt. Verzerrung, weißes Rauschen, schwarzes Rauschen, graues Rauschen. Tonnenschwere Bässe. Sehr geil, sorry für die klaren Worte. Was wahrscheinlich noch schärfer war: Die Albumpräsi in der Wotruba Kirche Ende Oktober in Wien. Wer dabei war, darf uns gern einen Kommentar hinterlassen. Ob ent- oder begeistert.

schtum, das sind Manu Mayr (spielt u.a. in den Bands Kompost 3, Gabbeh und 5K HD – und wir kennen ihn auch aus einem kleinen hübschen Interview hier) sowie Robert Pockfuß (Ensemble Pneuma, Ex-Sänger in der Gesangskapelle Hermann u.a.m.). Wer auch nur ein bisschen Geschmack abseits der Kommerztrampelpfade hat, sollte da zumindest mal reinhören. Oder reinschauen, denn schtum haben ein paar sehr fesche Videos zu ihrem Werk produziert. Das da unten entstammt einer Kooperation mit Marin Alsop, Chef-Dirigentin des Radio Symphonie Orchesters Wien. Sagt selbst, das tut ein bisschen weh, aber auch sehr gut oder?

 

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GINA SCHWARZ PANNONICA: „All Alone 2020“, cracked anegg VÖ 15. 10. 2021

Der Albumtitel verrät es: Es geht um das wenig erfreuliche erste Pandemie-Jahr. Bassistin und Komponistin Gina Schwarz hat gemeinsam mit Lorenz Raab, Lisa Hofmaninger, Alois Eberl, Florian Sighartner, Clemens Sainitzer, Philipp Nykrin, Christopher Pawluk und Judith Schwarz in einigen wenigen Tagen sechs Nummern plus zwei Bonus-Tracks aufgenommen, die ihrerseits so vielsagende Namen tragen wie: „Communication in Isolation“, „Motion in Freeze“, „Structured Chaos“, „Wistful Euphorism“, „All Alone – Together in the Long Run“ & „Farewell to Resignation“. Nun sind wir ja nicht die größten Jazzfans auf diesem Planeten, aber diese Platte hat uns sofort verzaubert. Die Bläser und Streicher, das Klavier, sie gehen eine intime Beziehung ein, die wir in dieser Intensivität schon lange nicht mehr gehört haben. Das ist keine Platte, die man sich nebenbei einpfeift, sondern ein hochkonzentriertes Werk, das trotz allem jede Menge Hörvergnügen bereitet.

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ON BELLS: “Drip”, VÖ 12.11.

On Bells ist Jakob Kolb. Der aus der Weststeiermark stammende bildende Künstler und Musiker hat längere Zeit in Barcelona studiert und gelebt und die Großstadt hat da wohl gehörige Spuren hinterlassen. Die Platte kommt mit sehr bedächtig tanzbaren elektronischen Sounds und starkem Autotune-Feeling daher. Der Jakob macht das alles selbst und das hat ihn schon in einige charmante Clubs und Locations gebracht. Stammgast in den FM4 Charts ist er auch. Die Platte funktioniert gut, wenn man den luftig-spielerischen Umgang mit Pop mag. Da hat einer seine Pet Shop Boys reichlich eingesaugt. Begriffe wie „kernig“, „erdig“ oder „rockig“ wird On Bells hingegen in diesem Leben nicht mehr über sich lesen. Der Pressetext spricht von einer „nostalgisch-selbstironischen Melange aus Lo-Fi-Soul und Synth-Pop“. Wenn es nach uns geht, darf die nächste Scheibe aber etwas ausgeschlafener daherkommen, besonders im trüben November. Live zur Zeit in Deutschland und am 16.11. im Radiokulturhaus in Wien.

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JOLPHIN: „Sugar Shock Therapy“, Rola Records VÖ 19. 11. 2021

Auch die Jolphins touren gerade durch Deutschland, beehren am 16. 11. dann Klagenfurt (Wohnzimmer) und am 17. 11. Graz (Postgarage), es folgen 3. 12. Wien (B72) und 9. 12. Linz. Das österreichische Duo haut im Gegensatz zu On Bells gern ein wenig kräftiger auf den Putz. INDIEROCK, BABY!

Eins. Zwo. Drei! Cage The Elephant und The Libertines nennt die Plattenfirma als Bezugspunkte. Aber da ist noch weit mehr. Die Jolphins hören sich stellenweise wie ein Indie-Musik-Quiz an und haben andererseits trotzdem ihren eigenen Style. Schön zwischen hymnisch und abgefuckt positioniert und sogar mit internationalem Potenzial, wenn wir uns nicht irren. Die fünf Songs gehen gehörig rein und falls es wirklich weiter Live-Konzerte geben sollte in diesem Seuchenjahr, dann solltet ihr euch das nicht entgehen lassen. Wer eine Kostprobe will, klickt unten aufs Video. Wer gleich alles auf einmal haben will, kann bei uns hier ein exklusives  Digipack gewinnen. E-mail mit Betreff „Jolphin“ an office@haubentaucher.at bis 12. 11. 2021 und dann schauen wir weiter!

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