Kategorien
Dramen, die das Leben schrieb

Freundschaftsbuch des Monats

Georg Biron: “Der Herr Udo. Das wilde Leben des Udo Proksch”, Wieser Verlag 2021

Georg Biron, der seinem Freund und Idol Proksch schon vor mehr als 30 (!) Jahren in einem kleinen Heft huldigte, hat nun ein Buch vorgelegt, das sich noch einmal seiner zentralen Frage widmet: Wer war der wilde Hund, der den Demel besaß, blendende Kontakte zur politischen Linken pflegte, mit schönen Frauen Liaisonen hatte und ständig mit einer Pistole herumlief? Und: War er am Ende ein Mörder, ein Versicherungsbetrüger oder doch ein Unschuldslamm?

Der erste Annäherungsversuch. Im Jahr 1990 erschienen als Beilage zu einem Magazin

Das Buch wirft zugleich einige andere Fragen auf. Zum Beispiel: Warum gerade jetzt? Und: Ist der Wieser Verlag wirklich die richtige Adresse für diese Art Text?

Biron schreibt (immer noch) im Stil der späten 1980er/ frühen 1990er Magazine. Reich an Adjektiven, dick aufgetragen. Mit Rhythmuswechseln, teilweise sehr fragmentarischen Sätzen. Mit einer gehörigen Dosis an Phantasie, die in Gestalt einer subjektiven Wahrheit unvermittelt um die Ecke biegt. Und vor allem gibt es: Jede Menge Komplimente für den Stritzi Proksch. Der war laut Biron “zärtlich, freundschaftlich, fürsorglich”, “hilfsbereit und feinfühlig, empathisch und rücksichtsvoll, sentimental und humorvoll”.

Vor allem aber war ein wilder Haudegen, der Champagnerflaschen mit dem Säbel öffnete, in der Gruft schlief, wenn es ihm in Wien zu heiß wurde. Imelda Marcos, philippinische Herrscherin über mehr als 1.000 Paar Schuhe, liebte er wie eine Mutter. Er hat laut Birons Darstellung mindestens eine Wahl für Kreisky gedreht und wohl so manches andere auch. Wer diese Geschichten noch nicht kennt, wird in erster Linie die aus der Zeit gefallenen Storyteller-Qualitäten von Biron bewundern. Wer sich allerdings mit dem seltsamen Phänomen Proksch irgendwann auseinander gesetzt hat, findet wenig Neues. Man könnte auch sagen: Der Autor schreibt mindestens so viel über sich wie über den Protagonisten. Er will eine Bilanz ziehen, die sich uns Leser*innen nicht so recht erschließt.

Das Buch endet mit einer Zeittafel über Proksch, den Napoleon aus der Wiener Hofzuckerbäckerei, und mit einer abgedrehten Geschichte über Señora Marcos. Das letzte Zeugnis über den schrägen Vogel, der Wien an der Nase herumführte und dabei womöglich über Leichen ging, sollte damit geschrieben sein. Es ist zumindest skurril ausgefallen – und das ist ja nicht nichts…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert