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Musik

Tonträger des Monats November / INT.

ELA MINUS: “Acts of Rebellion”, Domino Records, VÖ 23. 10. 2020

Wenn der Job hier Spaß und Sinn macht, dann deswegen, weil es immer wieder Neues zu hören und zu verbreiten gibt. Wie etwa Ela Minus. Die kommt ursprünglich aus Kolumbien – das hört man aber erst ab ca. der Mitte der Platte. Gabriela Jimeno macht urige Electro-Musik gemischt mit Techno und Punk-Attitüde und vor allem mit Prinzipien: Null Computersounds! Dafür kam jeder selbst zusammen geschraubte Synthie dran, der nicht bei drei im Keller war. Und wie ist das mit der Rebellion? Es ist eine Auflehnung gegen den Stumpsinn, ein Plädoyer für das Einfache, Gerade. Und wo man die Lateinamerikanerin halt dann doch merkt: Traurig ist das neue Fröhlich, Düster ist das neue Hell. Oder wie es Ela Minus ausdrückt: “Ich bin sehr verbunden mit dieser Art von melancholischer Feierlichkeit. Kolumbien ist rau, aber es gibt dort viel mehr Freude als an jedem anderen Ort, den ich kenne”. Eine Platte, die tatsächlich einiges durcheinander wirbelt. Und das mit einer Stimme, die unschuldig poppiger kaum klingen könnte. Entdeckung des Monats!

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LOW CUT CONNIE: “Private Lines”, Haldern Pop Recordings, VÖ 16. 10. 2020

Adam Weiner hingegen ist schon entdeckt, nur vielleicht nicht in Österreich. Dafür ist er im Biden-Land mittlerweile eine bekannte Größe. Man sagt, dass Leute wie Bruce Springsteen, aber auch Barack Obama zu seinen treuesten Fans zählen. Das neue Doppel-Album mit 17 Songs ist bewusst dirty und eingängig zugleich. “Ich bin hier, um für die Underdogs zu schreiben und zu singen. Für alle, die weder dazu gehören, noch Teil der glänzenden, sexy 1% sind,” sagt Weiner. Die Platte ist Punk, aber sehr anders als der von der Kollegin aus Kolumbien. Und natürlich auch kein simpler Haudrauf wie von den Pistols. Dann schon lieber ein wenig Blues. Und Garagenrock. In Low Cut Connie steckt jedenfalls auch eine schöne Portion Rebellion. Ist ja auch nicht so, dass es Adam Weiner in den vergangenen Jahren besonders super gegangen wäre oder dass die Entstehung der Platte einfach gewesen wäre. An die 30 Musiker*innen waren beteiligt. Entstanden ist ein Opus Magnum, das sich nicht als solches benimmt. Und das gerade deswegen in jeden guten Indie-Haushalt gehört.

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MIKE EDEL: “En Masse”, VÖ 20. 11. 2020

Der Kanadier im Brummbären-Look ist ein guter. Musikalisch sowieso, da kommen einem haufenweise schöne Assoziationen. Tendenziell friedlicher Indie-Sound, Singer-Songwriter mit ein bisschen mehr Pop als vielleicht üblich. Die da drüben reden von Folk, aber Lagerfeuer ist hier nicht. Dafür ein leichter Hang zur Hymne, aber so was liegt den Canadians möglicherweise sowieso in der musikalischen DNA. Was unheimlich angenehm ist in diesen grauen November-Momenten: Herr Edel lässt sich nicht unterkriegen, er singt vom Sonnenschein und spricht in den Unterlagen zum Album von der Bedeutung der Zusammenarbeit statt wieder nur allein im Studio herumzuwerkeln: “With Hello Universe, I wanted to write about collaboration and positivity. I wanted to focus on all the good things in the world as opposed to the alternative.”

Ein optimistisches Album für Leute, die nicht auf Eleganz verzichten wollen beim Weg neben dem Mainstream. Und die genauso wie Mike Edel keine Angeber sind, sondern grade Kerle und Kerlinnen.

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NEUZEITLICHE BODENBELÄGE: “Der große Preis”, Bureau B, VÖ 13. 11. 2020

Na Servas Gschäft, was für ein Bandname. NBB, das sind Niklas Wandt und Joshua Gottmanns. Die beiden wären wahrscheinlich gern in den 1980ern groß geworden, als New Wave überfallsartig zur Neuen Deutschen Welle wurde.

Wobei: Die Bodenbeläge kommen nicht aus der “Gib Gas, ich will Spaß”-Ecke, sondern eher aus dem edlen Poesie-Salon, aus dem einst Max Goldt mit seinen Foyer des Arts im fahlen Scheinwerferlicht der Popkultur landete. Hubschraubereinsatz, Sie erinnern sich? Eine andere mögliche Parallele: DAF, das deutsch-amerikanische Duo im dunklen Leder. Zurück zu den Bodenlegern: Sie machen schrägen Synthiepop mit Texten, die für unseren Geschmack Literatur sind. Und zwar ohne Kompromiss. “Convenience, Erstickungstod, der große Preis des Mittelstands”, wenn man das so hinschreibt, klingt es natürlich komisch. Aber auf der Platte wird das alles sehr stimmig. Sieben Songs, die dir auf eine sehr erfrischende Art die Birne lüften.
Und cool!

 

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