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Musik

Tonträger des Monats Mai / international

FAT WHITE FAMILY: „serfs up!”,
Domino Records VÖ 19. 4. 2019

 

Der Kracher des Monats kommt von den Wahnsinnigen, die man im Vereinten Königreich gerne als “Drug Band with a Rock problem” sieht. “Eher Lenin und McCarthy als Lennon and McCartney”, heißt es im launigen vierseitigen (!) Promotext zu “Serfs Up”. 

Das dritte Album der Fat White Family aka Saul Adamczewski, Nathan und Lias Saoudi spielt mit Klischees und kommt mit einem satten, gut abhangenen Sound daher, dass es einem die Gänsehaut vor Freude aufzieht. 
 
Cooler kann man schwer sein und cooler kann man 2019 auch nicht klingen. Die zehn Songs haben irgendwas alles, das man braucht, um die Hörerschaft wahlweise zu betören oder zu verstören. Fette Beats, Streicher, Gregorianische Gesänge, Funk, dazu eine abgefuckte Produktion, die vorrangig klingt wie aus dem Home-Studio, in Wahrheit aber immer das große Kino im Hintergrund verrät. Durchgeknallt, großartig.
 
CLINIC: “Wheeltappers and Shunters”,
Domino Records VÖ 10. 5. 2019  

Und gleich nochmal Domino Records und England und vor allem: Gut abgehangen. Clinic haben sich eine satte siebenjährige Pause gegönnt und bringen nun (endlich!) ihr achtes Album auf den Markt. Der Titel der Platte bezieht sich auf eine 70er-TV-Show und auch der Sound geht ordentlich in die Retro-Richtung. Das ganze ist versehen mit einem irren Sucht-Potential. Wir wollten doch eigentlich nur mehr kurz reinhören. Und ertappen uns irgendwann dabei, zum wiederholten Mal auf replay gedrückt zu haben.

Läuft die Platte mal, mag man tagelang nichts mehr anderes hören. Weil: lakonisch und cool, wie man es echt nicht alle Tage bekommt.

“Wir hielten es für richtig, in diesen dunklen und konservativen Zeiten ein lustiges Dancefloor-Album zu machen”, sagt Ade Blackburn. Das mit dem “lustig” würden wir allerdings in die britische Humorecke einordnen und nicht ins Comedy-Fach. Aber es stimmt: “Wheeltappers and Shunters” macht mit seinem schrägen Postrock-Sound gehörigen Spaß. Prädikat: Very british!

DIE GOLDENEN ZITRONEN: “More than a feeling”,
Buback Tonträger VÖ: 8. 2. 2019


Die Zitronen, vor kurzem auch in Graz auf leicht unterdimensionierter Tour, sind uns im Frühling durchgeflutscht, aber besser spät als nie. Die Platte ist nämlich irgendwie wahnsinnig wohltuend, gerade in Zeiten wie diesen. Texte, die der Dummheit einen vor den Latz knallen.Eine brüchige Wall of Sound, nix mit deutscher Gründlichkeit. Die Musik baut unzweifelhaft auf der eigenen Band-Bio auf, schlenkert aber auch da und dort in Richtung des Schaffens von Kollegen wie Blumfeld. “Baut doch eine Mauer um euren Scheiß-Kontinent!” Schöner als mit dieser Platte kann man es nicht sagen.
Und dass es nicht irgendwelche Jungspunde sind, die das so klar rüberbringen, ist für uns alte Säcke tröstend. Es geht ja doch noch was!

KITZL: “40 Moons We Know Of”, Independent VÖ: 25. 4. 2019

Radikaler Themenwechsel: Kitzl kommt aus Kanada, pfeift laut auf Konventionen, macht Elektronik, schreibt und produziert alle Tracks selbst. Glocken, Türen, Keramik, Zweige, für sie ist alles Basis für neue Sounds. Detto die Tierwelt, Kitzl arbeitet mit Geräuschen von Kojoten, Grillen, Vögeln und Fröschen und mischt sie mit der eigenen Stimme.

Was einigermaßen absurd klingen mag, ist in Wahrheit ein sexy Album, das man unbedingt gehört haben muss. Gebt dem Neuen eine Chance, kauft Kitzl!



DEINE COUSINE: “Attacke” VÖ 26. 4. 2019

Die einen nennen sie “Ziehtochter Udo Lindenbergs”, die anderen sehen sie als Antwort auf Pink. Naja, was die wasserstoffblonde Cousine jedenfalls kann, ist geradliniger Rock mit deutschen Texten, dazu das entsprechende Styling, gern mal ein bisschen Schweiß, Bier und Tattoo. Für alle, die das Gefühl haben, eh schon zuviel verschrobenen Indie gehört zu haben, ist das genau richtig. Klesch, bumm. Gitarre, Schlagzeug, Bass – dazu Texte, bei denen man echt jedes Wort versteht. Durchaus stadiontauglich oder sonst halt für die Stunden nach Mitternacht, wenn alles schon ein bisschen egal ist. Am 26. November (!) in der Arena Wien kann man überprüfen, ob diese Attacke sitzt oder ob man doch eher von der feingeistigen Kitzl-Fraktion ist. 

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