Walter Lippmann: „Die öffentliche Meinung. Wie sie entsteht und manipuliert wird“, Westend 2018
Ein Klassiker, neu aufgelegt. Lippmann (1889-1974) war US-amerikanischer Journalist, hochrangiger Politikberater und ein scharfer Denker. Vieles in seinem 1922 erschienen Buch „Public Opinion“ passt erstaunlich gut zu gegenwärtigen Phänomenen. Es wäre spannend zu erfahren, was Lippmann über den aktuellen US-Präsidenten geschrieben hätte. Warum es lohnt, den Visionär, der enorm skeptisch gegenüber allen visionären Ansätzen war, heute zu lesen? Weil sich in jedem zweiten Satz spannende Antworten darauf finden, wie man Menschen manipuliert, wie man ihnen Scheinwelten vorsetzt, wie leicht sie sich in ihrer Wahrnehmung täuschen (lassen) und wie man sie dazu bringt, etwas zu tun, was bestenfalls dem Machthaber und der offiziellen Geschichtsschreibung nutzt.
Das Buch ist freilich kein strikt „sachliches“, kein nüchtern wissenschaftliches. Es ist eine kluge und doch sehr subjektive Thesensammlung, die zwischen Optimismus und einem klaren Plädoyer für Liberalismus (oder vielleich auch schon Neo-Liberalismus) angesiedelt ist. Lippmann bezieht sich dabei immer wieder auf die Historie, schaut auf einen Sprung zu Plato vorbei, dann wieder zu politischen und anderen Katastrophen des frühen 20. Jahrhunderts. Der Sozialismus kriegt bei jedem zweiten dieser Ausflüge eine aufs Dach.
Die „Gesellschaftswissenschaft“, heute als Soziologie bekannt, hält Lippmann für wenig geeignet, um vernunftbasierte Entscheidungen zu treffen. Also doch Intuition und Experiment. Bei diesem Gedanken scheint es den strammen Rationalisten zu schütteln. In etwas verschnörkelten Worten kommt Lippmann nach knapp 350 Seite dann aber doch noch zu so etwas wie einem optimistischen Schluss. Ein seltsames Werk, einseitig und weitsichtig zugleich.