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Haubentaucher des Monats

Haubentaucher CDs des Monats Dezember

Wieder ist die Produktivität der heimischen Szene so rege, dass es schade wäre, nicht gleich mehrere Platten vorzustellen. Umso trauriger, dass so wenig davon in den lokalen Radios läuft. Aber es gibt ja noch das Internet…

CD des Monats / Singer-Songwriter 
mylittletale of everything, CD 2012, pumpkin records

Michi Strasser ist Multi-Instrumentalist und Sänger aus der Steiermark, tritt zuweilen in Wien auf und geht es gerne dezent an. Ohne große PR-Maschinerie, ohne bombastische Instrumentierung, ohne supercoole Videos. O-Ton Strasser im Pressetext: „zu Auftritten fahre ich üblicherweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln; eine Gitarre am Rücken und die Hände in den Hosentaschen“. Die CD ist also für Freude des soliden Handwerks gedacht und wurde von niemand Geringerem als US-Urgestein Kramer gemastered. Auch wenn Cajón, Klavier und Drums zu hören sind, dominieren Stimme und Gitarre in klassischer Singer-Songwriter-Tradition. Je länger die Platte läuft, desto mehr Stimmung kommt auf. Ideal für einsame Abende mit einer Flasche vom Lieblingsgetränk und dunkelgrauen Gedanken. Sympathisch, stimmig und zart verschroben.

CD des Monats / Compilation
Stimmgewitter Augustin: Übers Meer, CD 2012, augustin/trost records

Eine der lustigsten und originellsten CDs, die die Firma Trikont je herausgebracht hat, war eine breit angelegte Hommage an „La Paloma“, erschienen erstmals Mitte der 1990er und mittlerweile zu einer ganzen Edition mit über 80 Versionen angewachsen. Die Idee hat nun eine ebenbürtige Nachfolgerin gefunden: Auf „Übers Meer“ versammelt sich einiges vom Besten, was in Österreich im Bereich Indie existiert, auf einer Scheibe. Von Bulbul über Texta, von Ja, Panik bis Luise Pop, von Killed by 9V Batteries bis zu den Seven Sioux. Yeah. Und dann noch mit zeitgemäßem Seeräuber-Thema. Da gibt es Melodien von Brecht und Weill, von den Goldenen Zitronen und der – äh – legendären heimischen Rucki Zucki Palmencombo neben traditionellem Liedgut. Herausragend „Sie hieß Mary-Anne“, extrem leger interpretiert von Bulbul, komplett verhatschte „Südseeträume“ von den tödlichen 9Volt Batterien und der Titelsong „Übers Meer“ von Thomas Kantine Pronai. Fortsetzung schwerstens erhofft.

CD des Monats / Pop
Love & Fist: Last Days in Country, Seayou Records 2012

Ein klein wenig schließt sich hier der Kreis zur oben erwähnten CD von Michi Strasser. Stimme und Gitarre seines verstorbenen Bruders Hannes ist auf der EP von Love & Fist nämlich auch zu hören. Die vier Songs von „Österreichs bestem Nebenprojekt?“ (so der Pressetext) sind unglaublich schön, ein klein wenig traurig auch, schließlich geht es um das Abschiednehmen und Heimkommen. Entstanden sind die Songs schon 2010, erst jetzt bekommt sie ein größerer Kreis zu hören, nächstes Jahr soll ein komplettes neues Album folgen. Jakob Kubizek und Stefan Deisenberger lernten sich in Oberösterreich kennen, hatten mit dem Projekt Superformy und „Pop will save the world“ einen veritablen Hit, das Experiment scheiterte aber bald. Seit 2009 machen die beiden unter dem Signet Love & Fist Musik. Live demnächst in St. Pölten (8. 12.) und im Wiener Rabenhof (14. 12.), jeweils als musikalische Begleitung des FM4 Ombudsmanns. „Last Days in Country“ ist eine großartige kleine Platte, die man seinem besten Freund zu Weihnachten schenken will und sie dann doch selbst behält (oder umgekehrt, je nach Charakterstärke).

CD des Monats / Revival
Dämmerattacke: Tausend Seen, Cien Fuegos 2012 

Wir schreiben das Jahr 1982. New Wave, Punk, Neue Deutsche Welle, all das erlebte einen zarten Höhenflug in Österreich. Bands wie Chuzpe etwa schafften es zuweilen mit ihrer eigenwilligen Musik sogar ins Chart-Radio Ö3. Die Gruppe Dämmerattacke rund um Walter und Wolfgang Leinweber hingegen war für Hits nicht zu haben, ihre Songs gingen den einen Schritt an Wahnsinn weiter, der sie für ein Mainstream-Publikum unhörbar machte. Nervös peitschten sie ihre Texte nach vorne, dazu gab es seltsame Keyboard-Sounds wie aus dem 80er Radiowecker, ein feines Schlagzeug und erstaunlich dezente Gitarren. Die Platte „Tausend Seen“ galt lange als verloren, wurde nun vom Wiener Label Cien Fuegos neu aufgelegt und – Überraschung: sie ist ausgesprochen cool für alte Säcke wie uns und vielleicht sogar spannend für junge Säcklein, die Punk nur aus dem Fernsehen kennen. Eine Entdeckung!

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