„Der böse Geist Lumpazivagundus. Zauberposse mit Musik von Johann Nestroy. Mit Couplets von Pia Hierzegger“, Schauspielhaus Graz
In der Wiener Theaterzeitung schrieb der Kritiker Heinrich Adami im April 1833 über die Uraufführung dieses Stücks:
- „Die Handlung ist interessant und recht lebendig, der Dialog launig, […] die Situationen sind gut angelegt und benützt, ganz vorzüglich sind es aber mehrere der eingelegten Liedertexte, welche dieser Posse noch viele Wiederholungen zusichern dürften.“*
Die Premiere im Grazer Schauspielhaus fast 200 Jahre später könnte man ähnlich beurteilen. Mit kleinen Abstrichen. Regisseur Matthias Rippert gibt den Feen in Nestroys Erfolgsstück wesentlich mehr Platz als üblich – und er verleiht ihnen mit Hilfe von Johanna Lakner (Kostüme) das Aussehen der Bandmitglieder von ZZ Top. Wallend lange Bärte und dazu noch wallendere lange Haare … – besonders Franz Solar (Stellaris) geht voll in seiner Rolle auf, man mag ihn sich kaum mehr anders vorstellen.
Ganz vorzüglich sind in dieser Inszenierung die Couplets von Pia Hierzegger, die zwischen Witz und Gesellschaftskritik einen feinen Bogen spannen und mit einem hübschen Hinweis auf das steirische Kulturkuratorium ihr Ende finden. Viel gelacht wird auch in der Szene, in der Schneider Zwirn (Tim Breyvogel) in seinem Atelier inmitten von heroischen Wandmalereien seiner selbst (hingebungsvoll geklaut aus der Kunstgeschichte) drei italienische Damen bei der Formulierung einer tierischen Suchanzeige unterstützt.
Ob die Handlung anno 2025 noch interessant ist, ob die Situationen gut angelegt sind, darüber könnte man freilich streiten. Der Lumpazivagabundus am Schauspielhaus ist heiter, das ja, aber es fehlt ihm zuweilen an Schwung. Die 1 Stunde 45 zieht sich ziemlich. Die Darstellung der grundlegenden Wette zwischen Fortuna (Karola Niederhuber) und Amorosa (Sebastian Schindegger) ist unnötig verworren und wird nicht so recht aufgelöst. Diesem Lumpazivagabundus (Annette Holzmann) fehlt zudem das letzte bisschen bodenlose Bosheit. Hinreißend hingegen die beiden verzweifelt Liebenden, Brillantine (Luiza Monteiro mit toller Gesangsstimme!) und Hilaris (Željko Marović). Auch sei nicht verschwiegen, dass manche Szenen genau das Tempo und den Schmäh haben, den es für einen guten Nestroy-Abend braucht. Aber seien wir ehrlich: Im direkten Vergleich kann dieser Lumpazivagundus gegen den „Zerrissenen“ aus der vorigen Spielzeit nicht bestehen.
Dabei gibt es einiges zu sehen, so ist das dann ja auch wieder nicht. Im Original umfasst die Besetzung beachtliche 30 Personen. So viele hat Regisseur Rippert natürlich nicht zur Verfügung und er macht das Beste daraus: Die zehn Darsteller:innen, gendermäßig kreuz und quer durcheinander gewirbelt, sind im Dauereinsatz als Feen, Handwerker, Dienstbotinnen und mehr. Besonders Luisa Schwab als partywütige und trunksüchtige Schusterin Knieriem überzeugt in jeder Szene. Das Trio aus der Schusterin, dem Schneider und dem Tischlergesellen Leim wirkt allerdings nicht immer wie aus einem Guss. Am ehesten wohl in der Schlüsselszene, als die drei besoffen die siegreiche Lotterie-Zahl 7359 von der Fee Fortuna eingeflüstert bekommen.
Die musikalische Begleitung von Leon Jereb, Anna Burova und Enora Yang ist unbedingt hervor zu streichen. Und so wird es vielleicht nicht viele Wiederholungen geben, aber doch einige. Die nächsten am 21., 28. und 30. Mai sowie im Laufe des Juni 2025.
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Infos & Karten: schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com
Fotos: Lex Karelly
*zitiert nach Wikipedia