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Dramen, die das Leben schrieb Romane

Roboter-Roman des Monats

Leo Gilbert: “Seine Exzellenz der Android. Ein phantastisch-satirischer Roman”, Edition W 2023

Der Verlag weiß, wie man neugierige Leser:innen und Schreiber:innen anlockt: “Eine echte Entdeckung! Der erste Science-Fiction-Roman über Künstliche Intelligenz” ist auf der Rückseite des Covers zu lesen. Und in der Tat: Dieses Buch ist gewissermaßen prophetisch und literarisch. Der Autor Leon Silberstein (1861-1932), der sich aus Gründen der Zeit auch Leo Gilbert nannte, hatte in Zürich und Berlin Technik studiert und arbeitete als Journalist unter anderem für die FAZ, die Neue Freie Presse und die NY Times.

Sein Roman aus dem Jahr 1907 (!), der einen Androiden, also einen Apparat mit menschlichen Zügen, mit einer künstlichen Intelligenz und zunehmendem Eigenleben, in den Mittelpunkt stellt, wurde nach der Machtergreifung der Nazis verboten. Es gibt von der Originalfassung (“Seine Exzellenz der Automat”) lediglich drei Stück in Bibliotheken. Der Historiker Nathanael Riemer entdeckte das Buch und legte es neu auf.

Das Buch ist nicht allein deswegen interessant, weil der Android und andere Gerätschaften des genialen Physikers Frithjof Anderson beschrieben werden. Auch der Verfall einer Monarchie wird skizziert. So wird der Android zum kriegslüsternen Minister. Der Siegeszug der ausgeklügelten Technik führt soweit, dass der Schöpfer sein Werk zerstören muss, bevor es ärgeren Schaden anrichtet: “Das Los eines Volkes abhängig von einer einzigen verdorbenen Puppe!”

Das Buch ist mehr als Literatur, es ist ein historisches Dokument. Sprachlich wie inhaltlich. Gilbert schildert nämlich auch Liebesgeschichten, das Wirtschaftsleben, das Freizeitverhalten der damaligen Zeit im gehobenen Bürgertum – Stichwort: Das Leben in der Kuranstalt in den Bergen.

Das alles ist spannend, im Tonfall sehr wienerisch, aber halt auch ein bisschen viel für das zeitgenössische Publikum. Der Roman zieht seine Schleifen, er kommt speziell im ersten Drittel nur langsam von der Stelle. Der Showdown aber kann sich sehen lassen. Das Fazit des Autors: “Die Götterdämmerung der Technik!” Wie wir wissen, ist es soweit noch lange nicht gekommen.

Das Buch gehört nicht nur wegen seiner prophetischen Handlung, sondern auch wegen dem sehr fundierten Nachwort in jeden germanistisch interessierten Haushalt. Ebenso wie in die Sammlung von Technik- und KI-Fans.

 

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