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Interviewbuch des Monats April

Arno Luik: „Als die Mauer fiel, war ich in der Sauna. Gespräche über den Wahnsinn unserer Zeit…“, Westend Verlag 2022

Wir lieben gut gemachte Interviews. Und einige der spannendsten, die wir je in deutscher Sprache gelesen haben, finden sich in diesem Buch. So viel sei schon zu Beginn verraten. Das Zitat, das dem Werk den Titel gab, stammt von niemand Geringerem als Angela Merkel. Auch sonst befragte der deutsche Journalist Luik (früher taz, Geo, Stern u.a.) die oberste Liga der deutschen Prominenz, von Ferdinand von Schirach bis Inge und Walter Jens. Geistesgrößen stehen neben Schlagergrößen wie Roland Kaiser. Und auch ein bisschen Griechenland, Schweiz, Niederlande und USA ist vertreten.

Ohne Umschweife

Die Interviewmethode von Luik könnte man als ungemein direkt bezeichnen. Es ist keine Seltenheit, das er seinem Gegenüber gewaltig auf die Zehen steigt. Entweder zu Beginn oder überraschenderweise mittendrin. Das finden nicht alle witzig, manche wehren sich, andere gehen auf die herbe Kritik ein. Und wieder andere bearbeiten das fertige Gespräch dann so, dass kaum mehr etwas übrig bleibt – auch das thematisiert Luik in Wort und Bild.

Die Mischung ist originell, vor allem aber scheut der Interviewer kaum ein Tabu. Er fragt nach schweren Krankheiten, katastrophalen Fehlern und sogar in zwei Fällen nach dem unmittelbar bevorstehenden Tod. Es ist ein Buch, das einem oft die Augen öffnet, das nicht bequem und schlicht unterhaltsam ist. Hier will jemand nicht populär werden durch seine populären Gäste, vielmehr will er der Wahrheit auf den Grund gehen. Das alles muss man sich erst mal trauen, es zahlt sich aber in den meisten Fällen aus, weil Stehsätze und Blabla schonungslos hinterfragt werden. Und da ist es egal, ob jemand von links oder von rechts kommt, Varoufakis bekommt ebenso sein Fett ab wie Markus Lanz.

Bisher haben wir Moritz von Uslar für den Meister des Genres gehalten. Nun müssen wir sagen: Da ist noch jemand, der in Sachen Unverfrorenheit und Schärfe locker mithalten kann. Eine Empfehlung für alle kritischen Geister und Liebhaber*innen der Gattung Interview.

 

2 Antworten auf „Interviewbuch des Monats April“

Am berühmten 9. 11. 1989 haben wir zwar kein Länderspiel gefunden, aber in der Tat interessant: sechs Tage nach dem Mauerfall schlug Österreich die DDR (!) mit 3 Toren durch Toni Polster und qualifizierte sich damit für die WM 1990. Ob man dieses Ergebnis nachträglich durch die äußeren Umstände relativieren sollte?

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