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Kristoffer Hatteland Endresen: „SAUGUT und ein wenig wie wir – Eine Geschichte über das Schwein“, Westend Verlag März 2021

Es gibt mittlerweile unzählige Ernährungsbücher und Studien betreffend Fleischkonsum versus Vegetarismus/Veganismus und die dementsprechenden Auswirkungen auf unser Klima, unsere Gesundheit und unsere ethische Motivation im Zusammenhang mit Tierrechten. Gleich vorab: Das vorliegende Buch „SAUGUT und ein wenig wie wir – Eine Geschichte über das Schwein“ von K. H. Endresen ist weder eine Auftragsarbeit der Schweinebauernlobby noch eine der Animal Liberation Front. Es ist primär eine Geschichte über Appetit und Abneigung, Kultur und Religion und die Frage, wo eigentlich die Trennlinie zwischen Mensch und Tier verläuft. Bevor wir uns mit der Beziehung von Mensch und Schwein auseinandersetzen, gegebenenfalls in Diskussion und vielleicht sogar Streit geraten – lassen Sie uns vorab ganz nüchtern ein paar Zahlen und Fakten aus dem Buch betrachten:

  • In Deutschland wurden im Jahr 2020 53,2 Millionen Schweine geschlachtet – 3,5 % weniger als im Jahr davor. Das entspricht 5.101.700 Tonnen Schweinefleisch.
  • Von den Klimagasen, die die Menschheit zu verantworten hat, stammen 14,5 % von unseren Haustieren.
  • Die Emission von Schweinefleisch beträgt 3,8 kg CO2-Äquivalente (Käse: 5,4 kg CO2-Äquivalente)
  • Es werden 6.000 Liter Wasser für 1 kg Schweinefleisch benötigt (Rindfleisch: 51.000 Liter).
  • 100 Gramm Schweinefleisch enthalten 16 Gramm Protein – 100 Gramm Hühnerfleisch enthalten 19 Gramm Protein.
  • Keine 300 Jahre nach Christus, auf der ersten Synode von Antiochia, empfahl das Konzil allen Christen den Verzehr von Schweinefleisch.
  • Walter J. Chappels Schwein Bill wog bei der Weltausstellung in Chicago 1933 1.157 kg.
  • Der Anteil von Biofleisch am Gesamtkonsum von Schweinefleisch betrug 2018 in Norwegen nur 0,2 Prozent.

Viele StädterInnen fahren jetzt im Frühling aufs Land und erblicken Kühe, Pferde und Schafe im Landschaftsbild. So sehen wir unsere Tiere gern: vital und kräftig. Schweine finden wir inzwischen (fast) nur noch in Mastbetrieben, wo sie in weiterer Folge zu billigem Industriefleisch verarbeitet werden. Diese Entwicklung der Schweineindustrie verteilt sich über viele Länder und Kontinente. Die Menschen haben das Schwein domestiziert und letztendlich eingesperrt. Die Geschichte des Schweins ist folglich ebenso eine Geschichte des Menschen.

Der Historiker und Journalist Kristoffer Hatteland Endresen besuchte im Zuge von Recherchearbeiten einen norwegischen Schweinegroßbetrieb, um Besamung, Geburt, Aufzucht und Schlachtung der Tiere investigativ zu beleuchten. Der 39-jährige Norweger möchte dadurch untersuchen, ob es unter den heutigen Bedingungen überhaupt noch möglich ist, unser ursprüngliches Verhältnis zu Nutztieren wiederherzustellen. Ähnlich wie Florian Klenk in „Bauer und Bobo – Wie aus Wut Freundschaft wurde“ blickt der Autor K. H. Endresen hinter die Türen eines Schweinegroßbetriebes, um wenigstens einmal einem Schwein in die Augen zu sehen und gegebenenfalls eine persönliche Beziehung zum Tier aufbauen zu können.

Das 272-seitige Werk bildet eine ehrliche, aufschlussreiche und zugleich nachdenklich machende Lektüre, die das Schwein als Nutztier historisch, kulturell, religiös und ethisch betrachtet. Das Buch betreibt Ursachenforschung bezüglich der Behandlung der Tiere und weckt Interesse durch viele erhellende Zahlen und Fakten. Die LeserInnen erfahren, wie sich Endresen hier mit Neugier, Vorurteilen und der Realität auseinandersetzt, und beschreiten den schmalen Grat zwischen Tierwohl und -leid. Es ist eine Reise von der Geburt des Ferkels bis zur Schlachtung, die emotional bewegt und dabei moralische Denkanstöße gibt. Wer sich u. a. schon immer die Fragen gestellt hat wie „Warum ist das Schwein heute rosa?“, „Warum essen manche Religionsgemeinschaften kein Schweinefleisch?“ oder „Was macht das Schwein so klug?“, findet hier – frei nach dem Motto „Schwein gehabt“ – glücklicherweise fundierte und faktenbasierte Antworten.

„Saugut“ ist eine eindringliche Geschichte, die man nicht so schnell vergisst und die den Wunsch nach Veränderung anregt. In Anbetracht unserer weltweiten Herausforderungen wie Klimawandel und Epidemien müssen wir uns auch mit der Frage unserer Ernährung auseinandersetzen. Pflanzliche Kost anstatt Fleisch reduziert schließlich die Emission von Klimagasen und Krankheiten. Ja eh, die Fakten sind uns bekannt – wäre da nicht unser innerer SCHWEINEhund. Dieses Buch kann die notwendige Veränderung unterstützen. Lesetipp!

Foto & Rezension: aL

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