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Tonträger des Monats Jänner 2021 / Ö

KREISKY: “Atlantis”, Wohnzimmer Records, VÖ 22. 1. 2021

Schaut man ins Haubentaucher-Archiv, dann taucht die Band von Franz Adrian Wenzl, Martin Max Offenhuber, Klaus Mitter (und neu Helmuth Brossmann!) erstmals 2010 bei uns auf. Seitdem in schöner Regelmäßigkeit, aber bisher nie mit einer eigenständigen Plattenrezension. Das ändert sich jetzt endlich. Mit gut 15 Jahren Bandgeschichte gehört Kreisky ohnehin schon zu den Klassikern der heimischen Szene und kann wahrscheinlich über Höhenflüge und Abstürze von anderen Ö-Kapellen nur grimmig schmunzeln. Grimmig, weil: Als Hohepriester der guten Laune gehen die Herren eher nicht in die Geschichte ein. Selbst im weißen Thermalhotel-Bademantel fotografiert, jagen einem die vier gehörigen Respekt ein.

Aber weg vom Klischee zurück zur Musik: Die Platte, die mit einem versunkenen Inselreich nur sehr indirekt zu tun hat, vereint mit ihren acht Songs alle Kreisky-Stärken. Texte, die zugleich schräg klingen (“Kilometerweit Weizen”), aber auch den Charakter dieses Landes und seiner vermeintlichen “Helden” aufs Feinste treffen (“Abfahrt Slalom Super-G, das zermürbt einen doch…”). Indie-Sounds, die sich nichts scheißen und keine Sekunde auf Radiotauglichkeit schielen. Experiment ist hier kein Schimpfwort. Und Musik wird noch gespielt, nicht “gemacht”. Der Konnex zwischen den einzelnen Songs ist – apropos Slalom – nicht unbedingt im ersten Durchgang erkennbar, aber am Ende entpuppt sich “Atlantis” als in sich konsistentes Album. Das dann sogar in einem kraftvollen Statement gipfelt, das man sich gleich einrahmen kann: “Wenn einer sagt, was du da machst, ist der letzte Dreck – dann sag: Es ist mein Dreck!” Sicher kein Dreck und auch nicht für null Kohle im Internet erhältlich. Sondern auf Vinyl, für alle Menschen mit Sinn für den ganz eigenen Geschmack. Apropos: Ab März touren die vier durch Österreich. Wien und Graz stehen im April auf dem Plan. Man wird sehen…

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RATROCK TOT SINT JANS: “Mumbai Cuisine”, Pumpkin Records, VÖ Dezember 2020

Auch die Platte des Ratrock ist auf Vinyl erschienen und schön bunt ist sie auch. Sonst gibt es nur bedingt Parallelen zu Kreisky, wobei: Die gute Beziehung zum Kürbis-Kultur-Imperium in Wies wäre eine solche. Aber sonst: Ratrock Tot Sint Jans steht für seine ganz eigene kleine Welt und die ist dann doch eher an den staubigen Winkeln Nordamerikas orientiert als an den vereisten Trainingspisten von Marcel Hirscher oder dem heimischen Jugendamt. Das titelgebende indische Lokal wiederum liegt dann aber doch in Graz, gar nicht weit von unserer Redaktion entfernt.

Es ist dies laut Plattenfirma das sechste Solo-Album und ganz ehrlich: Es fühlt sich schon nach mehr an. Denn Haubentaucher-Stammgast Ratrock ist trotz eher kommerzscheuer Attitude ein eifriger Kerl, der nicht zuletzt auch mit der sehr ähnlich gestrickten Band Tiger Family umtriebig ist. Es ist ein bisschen wie mit unserer einstigen Lieblingspartie The Fall: Jede Platte klingt gleich ähnlich, jede Platte ist aber auch eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Nehmen wir etwa das schöne Stück “The Far Away”, da stecken so viele popkulturelle Bezüge drin, dass man schon eine kleine Seminararbeit drüber schreiben könnte. Oder wenn Ratrock im nächsten Song “Pavaroooootttiiiii” singt (mit ganz ganz weichem “oooooddddddddiiii”), da geht einem doch frei nach Hans Krankl das Herzerl auf. Geschichten will er nicht vertonen, sagt Ratrock Tot Sint Jans, sondern eher Miniaturen, wie kleine Comic Strips, wie Garfield oder die Peanuts in der Zeitung. Es ist dies vielleicht auch deswegen das “poppigste”, das unbeschwerteste Album, das der Grazer mit dem markanten Schnauzbart bisher veröffentlicht hat. Klingt wie genau? Die Bässe wummern beachtlich, die Streicherparts wurden spaßigerweise mit den Gebrüdern Korg und Moog eingespielt. Wenn der Mann den Mond anheult, bleiben die Wölfe auf der Landstraße stehen. All das hat der Ratrock übrigens diesmal ganz allein gemacht. Es war ja reichlich Zeit während Lockdown 1.0.

Und? Es ist eine Platte entstanden, die wirklich ein großes Publikum verdient hat. Aus irgendeinem Grund kennen nämlich selbst musikalische Auskenner*innen erstaunlich oft den Ratrock nicht. Was echt gar nicht geht.

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SHORELINE MINERS: “Not That I Care What People Say”, Pumpkin Records, VÖ Dezember 2020

Noch einmal Graz, noch einmal Pumpkin, noch einmal Vinyl. Und noch einmal ein Argument, das wir oben bei Kreisky auch schon hatten: “Egal, was die anderen meinen. Mach dein Ding.” Musikalisch sind wir hier in der Folk- und Singer-Songwriter-Ecke angekommen. Das Quartett, bestehend aus Lisa Kaufmann, Konstantina Risovalis, Armin Klampfer und Toni Tamtögl geht den ruhigen, sentimentalen, manchmal auch melancholischen Weg. Leise und zurückhaltend agieren die vier übrigens auch in Sachen digitaler Kommunikation.

Die Gitarre dominiert auf diesem Debut-Album, aber wenn der Bass und die Drums einsetzen, macht es dann doch mal entschlossen “Bumm!”. Die perfekte Platte für den verschneiten Winterabend in den eigenen vier Wänden. Und vielleicht auch für den nächsten Konzertsommer. Irgendwas mit Open-air in Graz sollte sich schon ausgehen. Und live könnte man dann ja sogar noch etwas lauter auftreten.

 

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