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Tonträger des Monats Jänner 2021 / INT.

MIDNIGHT SISTER: “Painting The Roses”, Jagjaguwar, VÖ 15. 1. 2021

Sängerin Juliana Giraffe stammt ursprünglich aus Argentinien und unternahm während der Arbeit an diesem Album auch eine Reise zu ihren dortigen Wurzeln. Gemeinsam mit dem vielseitigen, klassisch ausgebildeten Musiker Ari Balouzian ist sie die “Midnight Sister”. Das Werk der beiden umfasst Filme, Videos und Musik. Zum Start ins neue Jahr legen sie ein chillig-funkelndes Album vor, das verschiedenste Stile und Kulturen zusammenbringt. Von lateinamerikanischen Einflüssen bis zu Soul (viel Soul!), Surf und Western. Dominierend auch Anklänge an Disco im Geiste von Donna Summer und an Bowie, sehr viel Bowie. Das hat nicht nur mit dem Sound von LA zu tun, wo die beiden wirken und werken, sondern auch mit Julianas Papa, der sie als DJ mit entsprechend viel Musik groß gezogen hat. Dazu ist sie mit einer Stimme gesegnet, die rauchig, dark, kraftvoll klingt. Und dann als ein weiteres konstituierendes Element: Die Liebe zum klassischen Kino, wie etwa in “My Elevator Song” sehr deutlich zu hören. Ein großartiges buntes, facettenreiches, stylishes Album, das man rauf und runter hört und dann gleich wieder von vorne.

Foto: © Nicky Giraffe

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CASPAR CLAUSEN: “Better Way”, City Slang, VÖ 9. 1. 2021

Caspar Clausen? Kein deutscher Techno-DJ, sondern ein Däne, der am liebsten in seiner Wahlheimat Portugal an seinen Songs schreibt und schraubt, der mit der Band Efterklang auch hierzulande ein Begriff sein sollte, und der jetzt mit “Better Way” sein Solo-Debut in Album-Länge veröffentlicht. Wie das klingt? Nach Space und Krautrock, nach den Sounds der 1980er und nach prachtvoller Weite. Mit den acht Songs des Albums legt Clausen elektronische Spuren nach Lissabon, wo Sonic Boom (bekannt von den Spaceman 3) auch letztlich die Produktion übernahm. Was den beiden gelang: Dass jeder Song etwas sehr Eigenes wird – ganz speziell der erste, der auch mit 8:44 nicht eine Sekunde zu lang ist. Herrlich sphärisch.

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STEINER & MADLAINA: “Wünsch mir Glück”, Glitterhouse, VÖ 29. 1. 2021

Nein, das ist kein Volksmusik-Duo, keine Sorge. Die beiden jungen Schweizerinnen machen vielmehr Pop-Songs mit subtilen Texten, die man im ersten Moment nicht so richtig einordnen kann. Wo will das hin? Wie passt das zu Glitterhouse? Ist das Feminismus? Schon nach dem ersten Track kann man sich dann nur mehr schwer bis gar nicht dem Sog entziehen, der von den Ladies ausgeht. Sie spielen mit Klischees und dürfen daher sogar Lieder mit Titeln wie “Heile Welt” auf die Platte pressen. Weil Kitsch? Niemals! Sehr lässig und poppig im besten Sinne. Rock können die beiden übrigens auch, wie man etwa in “Wenn ich ein Junge wäre” sehr gut nachhören kann. Und die Souveränität kommt auch nicht von ungefähr, Nora Steiner und Madlaina Pollina haben schon jede Menge internationaler Gigs gespielt, so etwa auf dem Lollapalooza. Apropos: Wenn alles klappt, sind sie im November 2021 im Chelsea in Wien. Und da sollten wir hin, geimpft, getestet, was auch immer. Vielleicht so etwas wie die Überraschung des Monats.

Foto: © Tim Wettstein

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CLAP YOUR HANDS SAY YEAH: “New Fragility”, CYHSY/Secretly, VÖ 29. 1. 2021

Alec Ounsworth ist schon so was wie einer unserer Alltime-Heroes und daher auch ein Quell ewiger Freude mit jedem neuen Album. Seit 15 Jahren aktiv war ihm das “Indie” immer wichtig und jede zart aufkeimende mediale Aufregung schien ihm letztlich doch ziemlich hinderlich auf seinem Weg. Bewährtes Gegenmittel: Immer schön Pause machen zwischen den Platten, keine Hektik aufkommen lassen. So wahnsinnig witzig war die Vorbereitung an diesem Album dann übrigens nicht und das hört man auch sehr deutlich. Da war zum einen ein Problem, an dem Ounsworth gut drei Jahre lang kiffelte und über das er ungern spricht. Und dann war da der orangegesichtige Präsi mit seiner erbärmlichen Truppe, der aus der Heimat von Alec eine “hesitating nation” (das ist eh noch harmlos ausgedrückt) gemacht hat. Mindestens drei Songs sind klar politisch motiviert und das ist doch eher eine Seltenheit bei dieser Band. Das Album geht in seinen zehn Songs zwischendurch auch mal retour ins Gründungsjahr und spielt sich dann durch die Weltgeschichte bis hin zum Stoßseufzer: “If I were more like Jesus”.

Klar ist: Niemand singt so schön “ey ey ey…” wie Alec Ounsworth. Und klar ist auch: Alle Fans von CYHSY müssen diese Platte haben. Und alle, die noch keine Fans sind, sollten gefälligst welche werden.

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SHANE Ó FEARGHAIL: “Born From Tradition”, Sad Opera Entertainment VÖ November 2020

Den Singer-Songwriter aus Irland, der seit Jahren in Wien lebt, haben wir vor ein paar Jahren in Hartberg live gesehen und seitdem nie mehr aus den Augen und Ohren verloren. Er ist einer, der im Gegensatz zu Mr. Ounsworth gern, häufig und oft ins Studio geht, und ein enorm netter Kerl ist er übrigens auch. Einer, der einem nicht nur E-mails schickt, sondern sogar einen handgeschriebenen Brief zu Weihnachten. Die neue Platte mit zehn Songs konzentriert sich auf das, was Shane ausmacht: Gitarre und Stimme. Und wie der Titel schon verrät: Er dockt an seine Heimat und die große Tradition des Liederschreibens an, hat sogar ein paar Songs auf Irisch mit im Gepäck. Das Album hat dann auch in Dublin und Umgebung sehr gute Resonanz gefunden, ewig schade, dass er es derzeit weder hier noch dort live vorstellen kann – aber das sollte sich doch heuer irgendwann ändern lassen. Anspieltipps “Reynardine”, eine Hymne an die Berge und die Liebe gleichermaßen und gleich darauf “Trasna Na gCianta” in der wunderbaren irischen Sprache. Ruhig und gerade deswegen herausragend. Go raibh maith agat!

 

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