Kategorien
Buch des Monats Künstler/innen Romane

Roman des Monats Jänner 2021

MONIKA HELFER: “Die Bagage”, Hanser Verlag 2020

Das Buch ist nun schon seit etlichen Wochen in den Bestsellerlisten, aber das hält uns nicht ab weder vom Lesen noch vom Rezensieren. Schließlich haben wir es hier zugleich mit einem sehr kompakten Roman mit kaum 160 Seiten zu tun, andererseits dann doch mit einem wuchtigen Werk, das man in die Tradition der kritischen (Anti-)Heimatromane einordnen könnte, wenn man dies wollte. Auf eine gewisse Art und Weise bildet “die Bagage” inhaltlich wie sprachlich eine Brücke zwischen den heimischen Großmeistern wie Lebert, Innerhofer oder Jelinek und der jungen Generation von Autorinnen wie Vea Kaiser.

Nüchtern, fast protokollartig, schreibt Helfer an manchen Stellen, dann wieder leidenschaftlich und mitreißend. Sie ist eine Literatin, die mit jedem Satz überzeugt, ohne das zu ihren Gunsten auszunutzen. Wichtig sind ihr die Figuren der Handlung, ihre Biographien und ihre Motive, nicht die eigene Grandezza. Dort wo die familieneigenen Quellen nicht weiterhelfen, ist sie auf Spekulationen angewiesen, die sie allerdings nie verschweigt, sondern explizit darstellt.

“Die Bagage”, das sind nämlich Helfers eigene Vorfahren, die am Rande des Dorfes leben und zugleich bewundert, geschnitten und angefeindet werden. Im Zentrum des Geschehens steht Maria, die Großmutter der Autorin, eine wunderschöne Frau, die in den Wirren des frühen 20. Jahrhunderts, des 1. Weltkriegs und der Jahre danach ein Kind nach dem anderen bekommt. Eine Tochter, die Mutter von Helfer, könnte unter Umständen von einem anderen Mann stammen als dem feschen Ehemann Josef, der in den Krieg ziehen musste. Das munkelt man jedenfalls im Dorf und auch Josef scheint es zu glauben, spricht er doch kein Wort mit dem Kind, sein ganzes Leben lang.

Maria und Josef, Außenseiter, die selbst der Pfarrer aus der Gemeinschaft stoßen will, erinnert uns das an etwas? Immer wieder tut sich die Frage auf, warum die beiden nicht einfach Sack und Pack schnappen und wegziehen aus dem letzten Winkel. Das Potenzial dazu hätten sie und auch ihre Kinder, die Helfer wunderbar detailliert beschreibt. Der eine oder die andere aus der Sippe hat es am Ende geschafft, der Enge des Dorfes zu entfliehen. Die Schatten der Vergangenheit aber, die lasten nach wie vor auf Kindern und Enkeln. So stellt sich für Helfer auch die Frage, ob sie und ihre Familie denn auch noch zur “Bagage” gehöre oder nicht.

Ein Buch, das sich trotz der Schwere der Ereignisse leicht liest und das man kaum anders nennen kann als: Grandios.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert