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Buch des Monats

Kurzgeschichten des Monats

“Worte bewegen. Erzählungen” Braumüller Verlag, 2020

Kurzgeschichten statt „Walking Dead“

Seit mindestens drei Jahrzehnten dreht sich im Verlagswesen alles nur noch um Romane. Was dabei zu kurz kommt, sind Kurzgeschichten. Dabei müssten kurze, knackige Erzählungen doch dem Zeitgeist entsprechen, schließlich kann man sie locker zwischendurch lesen: im Flixbus oder in der Straßenbahn. Aber nix da, da schaut man lieber aufs Handy und zieht sich „The Walking Dead“ rein.

Den ehrenwerten Versuch, sich für die Kurzgeschichte ins Zeug zu legen, hat im verflossenen Jahr das Stieglerhaus unternommen. Das weststeirische Kulturzentrum schrieb unter dem Titel „Worte bewegen“ einen Wettbewerb für neue Erzählungen aus Österreich aus. Über 300 Zusendungen bezeugten, dass zumindest von Seiten der Autorinnen und Autoren das Interesse an der Gattung nicht erloschen ist. Eine mit der Paradegermanistin Daniela Strigl, der Schweizer Literaturredakteurin Nicola Steiner und dem deutschen Radioredakteur Gerwig Epkes prominent besetzte Jury wählte unter den Einsendungen neun besonders gelungene Texte für die Anthologie „Worte bewegen“ aus und prämierte fünf der Texte.

Und was bewegt die Damen und Herren Autoren? Es sind die Schatten der Vergangenheit, die Wunden der österreichischen Seele, Orgasmen beim Haarewaschen und die stille Entfremdung, die unter anderem von Claudia Bittner, Ulrike Haidacher und Lukas Meschik thematisiert und literarisch raffiniert behandelt werden. Letzterer erhielt gemeinsam mit Martin Peichl, Wilhelm Kuehs und Felicia Schätzer auch einen Preis beim „Worte bewegen“-Wettbewerb. Vollkommen einig war sich die Jury bei der Nominierung des Siegertextes: Mit „Der Fettfleck“ hat die in Niederösterreich lebende Autorin Simone Hirth ein literarisches Kleinod über eine gescheiterte Ehe vorgelegt. Nach und nach entblößt diese Erzählung ein subtiles Gefühl der Bedrohlichkeit und verdeutlicht damit, dass auch kurze Texte großes Kino erzeugen können. Die Kurzgeschichte als literarische Form ist noch lange nicht erledigt.

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“Worte bewegen. Erzählungen”. Mit Texten von Claudia Bitter, Ulrike Haidacher, Simone Hirth, Wilhelm Kuehs, Lukas Meschik, Martin Peichl, Felicia Schätzer, Elisabeth Schmidauer und Irmi Wyskovsky. Einleitende Worte von August Schmölzer und Gerwig Epkes. Braumüller Verlag: Wien 2020. 128 Seiten. 18 Euro.

Foto: © Katharina Zotter/Stieglerhaus

Transparency rules: Unser Rezensent hat den Wettbewerb „Worte bewegen“ als Pressebetreuer begleitet.

PS: Wir verlosen 1 Exemplar von „Worte bewegen“. Quizfrage: „Wie heißt Ilse Aichingers rückwärts erzählter Lebenslauf, mit dem sie 1952 den Preis der Gruppe 47 gewann?” Wer als erste/r die richtige Antwort an office@haubentaucher.at mailt, erhält die Anthologie „Worte bewegen“ zugeschickt.

 

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