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Face-Book des Monats

Klaus Oppitz: “Die Hinrichtung des Martin P.”, Kremayr & Scheriau 2019

Die Situation kennen wir mittlerweile. Mann sitzt vor seinem Computer und postet mit vollem Namen Gehässigkeiten in die “sozialen Medien”. Greta Thunberg kann ein Lied davon singen. Eva Glawischnig hat gerade kürzlich deswegen gegen Facebook prozessiert. Im Roman von Klaus Oppitz ist es ein Mann namens Martin Pietsch, der seinen Hass auf die Welt loswerden will. Da kommt ein Verbrechen gerade recht, um sich verbal abzureagieren. Ein kleines Mädchen wurde ermordet und Pietsch gibt sich als Rächer, der seinerseits den Mörder hinmetzeln will. Solche und andere Postings kommen gut an beim “einfachen” Facebook-Volk, weniger gut bei der Freundin und noch weniger bei einem Vorstellungsgespräch. All das lernt Pietsch, kapieren tut er es aber nicht wirklich.

Während er und etliche andere eigentlich völlig Unbeteiligte sich immer weiter in eine Eskalationsspirale hineinposten, passiert noch ein Verbrechen. Und erst ganz am Ende des Buches wird endgültig klar, dass das Leben (und das Sterben!) sehr oft nicht so ist, wie sich das der gemeine Web-User so zusammenreimt. Pietsch gerät unter Druck zu beweisen, dass sein Hass-Posting nicht bloßes Posing war, sondern er wirklich gewillt ist, Selbstjustiz zu üben. Dabei könnte er sogar noch ein junges Leben retten, aber auch das gelingt ihm nicht.

Es ist ein durchaus reales und sehr deprimierendes Bild, das Klaus Oppitz entwirft. Er, der im bürgerlichen Leben lustige Texte für die TV-Sendung “Wir sind Kaiser” schreibt und mit Michael Nikbakhsh als Kabarettist auftritt, schildert das Innenleben seines Protagonisten detailreich und doch geradlinig. Da ist manches vielleicht sarkastisch, aber niemals komisch, da ist nichts “eh nicht ernst gemeint”. Da prallen Verlierer-Typen mit voller Wucht aufeinander und finden dabei ein Publikum vor, das mit Begierde auf den großen Clash aus ist. Die positiven Seiten, die “soziale Medien” zweifellos auch haben können, spielen in diesem Szenario keine Rolle. “Die Hinrichtung des Martin P.” ist ein düsteres Buch, das primär aufklären will und erst in zweiter Linie unterhalten. Es fragt nicht (so sehr) nach den Hintergründen von Entwicklungen, es spart den politischen Kontext weitgehend aus. Es ist ein persönliches Drama, das all jede bestätigen wird, die Facebook und Co. mit verantwortlich machen für die Verrohung der Sitten. Es ist wie es ist, spannend, einseitig, realistisch, aufschlussreich und fiktiv.

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