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Buch des Monats

Literaturbuch des Monats

David Österle, „Freunde sind wir ja eigentlich nicht“, Hoffmannsthal, Schnitzler und das Junge Wien, Kremayr & Scheriau 2019
Wien um die Jahrhundertwende von 1900 war eine kulturelle Drehscheibe und pulsierende Großstadt. Schon Stefan Zweig widmete sich der lebendigen Literaturszene in seinem Roman „Die Welt von Gestern“. Umso interessanter ist es, diese Welt aus dem Blickwinkel der Gruppenbiographie von David Österle, die im Rahmen eines Forschungsprogrammes des Ludwig Boltzmann Institutes entstand, zu betrachten. Während Zweig als Beobachter des bürgerlichen Lebens vom Werdegang u.a. Hoffmannsthals berichtet, so konzentriert sich Österle auf die Clique der Autoren Arthur Schnitzler, Hugo von Hoffmannsthal, Felix Salten, Richard Beer-Hofmann und Hermann Bahr. 
Wie der Titel verrät, gestaltet sich diese literarische Freundschaft durchaus ambivalent. Sie ist Spiegel einer bürgerlichen Gesellschaft, unter dem Mikroskop aufgefächert, mit all ihren Erfolgen und Misserfolgen, kleinen Sticheleien, aber auch gegenseitig gezolltem Respekt. Österle gibt Einblick in eine Arbeitsgemeinschaft, die sich in den Hinterzimmern des Café Griensteidl zusammenfindet und entwickelt. Das Café ist längst Geschichte, der literarische Männerbund lebt jedoch in seinen Werken weiter. Österle fügt durch die biografische Auseinandersetzung mit den Autoren ihren Werken eine weitere Dimension hinzu: Durch die Einbettung in den Alltag und die Gewohnheiten ihrer Schöpfer gewinnen sie gemeinsam mit ihnen an Schärfe. 
Vielleicht nicht für jedermann und jederfrau, sicher jedoch für Liebhaber*Innen einer verblichenen bürgerlichen Kultur, die in den Theatern und Cafés Wiens bis heute weiterlebt.

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