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Liebesgeschichte(n) des Monats November

Evelyn Steinthaler: “Mag’s im Himmel sein, mag’s beim Teufel sein. Stars und die Liebe unter dem Hakenkreuz”, Kremayr & Scheriau, September 2018

Jüngst scherzte die Autorin Stefanie Sargnagel mit bitterem Humor sinngemäß, bei der “Zeitumstellung” sei wohl etwas schiefgelaufen und wir würden uns nunmehr im Jahr 1933 wiederfinden. Betrachtet man die hiesigen und die internationalen politischen Geschehnisse der letzten Wochen und Monate, dann ist es auch für Nicht-Historiker/innen wieder wichtig geworden, sich gründlich mit der Entstehungszeit und den ersten Jahren des NS-Regimes zu beschäftigen. Wie war das eigentlich mit den so genannten “Mischehen”, mit den plötzlich “unerwünschten” Mitbürgern, mit dem Alltagsrassismus und dem sich ausbreitenden Antisemitismus? Ist dazu nicht längst alles gesagt und geschrieben worden?

Nein, ganz bestimmt nicht, wie Evelyn Steinthaler eindrucksvoll beweist. Ihr Fokus ist ein spannender und (zumindest für uns) neuer. Wie ging es den Promis der damaligen Zeit, von Hans Albers bis Hans Moser mit ihrem Privat- und Beziehungsleben? Hatten Sie einen Bonus und konnten sich bei Goebbels, Göring und Hitler mehr erlauben als andere? Es hat den Kontrollfreak Goebbels sicher mehr als nur ein paar schlaflose Nächte gekostet, dass so viele berühmte Schauspieler/innen Beziehungen zu Juden respektive Jüdinnen führten und sich davon auch nicht abbringen ließen. Bei manchen brauchte es heftige Hinweise auf die zukünftige Karriere, andere ließen sich selbst von der GESTAPO nicht einschüchtern. Aber letztlich konnten selbst Publikumslieblinge wie Joachim Gottschalk oder Hans Moser nicht in Frieden leben.

Steinthaler geht den Biographien genau nach und schildert detailreich und spannend, wie stark der Druck wurde und wie die Betroffenen reagierten. Die einen flüchteten, spät aber doch, die anderen widersetzten sich der “Führung” so lange es nur ging. Und andere arrangierten sich auf ihre Weise mit den Nazis. Die stets unkonventionelle Lotte Lenya, die mit Kurt Weill am Ende doch noch in den USA landete, der brummige Hans Albers, dem seine Hansi entschwand und der daraufhin seinen Kummer im Alkohol ertränkte, die deutlich opportunistischeren Stars Theo Lingen und Heinz Rühmann, alle hatten sie ein gehöriges Problem mit der “Rassenlehre”.

Das große Verdienst der Wiener Autorin mit Kärntner Wurzeln ist es, Geschichte lebendig zu machen und dabei nie ins Banale abzugleiten. Das Buch liest sich dramatisch und packend – und ist so nicht nur für historisch Interessierte eine große Empfehlung, sondern auch für junge Menschen, die erfahren möchten, wie es ist, in einer Diktatur zu leben und zu lieben. Soll heißen: Auch Deutsch- und Geschichte-Lehrer/innen sollten in Erwägung ziehen, “Mag’s im Himmel sein…” auf die Literaturliste zu setzen.

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