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Stück des Monats

BÖHM. Von Paulus Hochgatterer. Mit Nikolaus Habjan. Schauspielhaus Graz

“Graz, bäääh!” So beginnt ein großartiger Theaterabend, an dem Puppenspieler Habjan sein ganzes Können zeigt. Der alte Mann mit der brüchigen Stimme, sein Pfleger und dessen Schwester, der berühmte, aber auch berüchtigte Dirigent, und so mancher Akteur auf der Bühne (grandios etwa die hüftschwingende Christa Ludwig) fesseln die Zuseher vom ersten Augenblick an.

Warnung: Wer während der “Orchester-Proben” durch Husten stört oder gar zu spät kommt, wird von Habjan gnadenlos ins Stück integriert, rechtzeitiges Erscheinen war noch nie so dringend zu empfehlen.

Das Wichtigste ist eben die Zeit, deshalb muss der Pfleger auch regelmäßig sämtliche Pendel- und sonstigen Uhren im Seniorenhaushalt überprüfen. Die Zeit, sie spielte dem realen Böhm oft genug in die Karten. In der “arisierten” Villa residierend, von Hitler zur künstlerischen Elite erklärt, brauchte der zweifellos geniale Dirigent natürlich nicht in den Krieg zu ziehen oder anderweitig Not zu leiden, sondern konnte statt dessen in aller Ruhe seine Karriere planen. Der damit verbundene vorauseilende Gehorsam ist es, den Hochgatterer in seinem Stück dezent und doch deutlich transportiert. Es ist freilich nicht vorrangig eine Auseinandersetzung mit einem jungen Opportunisten, sondern mit einem alten Mann, von dem man nicht mit Sicherheit sagen kann, wer er ist und was er getan und erlebt hat.

Graz ist also bäh, aber Wien? Auch nicht besser! Nach all den Wirren der Zeit vernachlässigt der Star-Dirigent sein Haus am Ring und wird in der Folge ausgebuht. Man hat es halt nicht leicht mit dem Pöbel. Dass eine durchaus so zu bezeichnende und offenbar wachsende Gruppe im Jahr 2018 wieder ihr Unwesen treibt, zwar hierzulande (noch?) keine Synagogen anzündet, aber doch ihren Hass gegen alles Fremde ungeniert auslebt, ist ein höchst beunruhigender Subtext, den Autor und Akteur gar nicht extra zu betonen brauchen.

Besonders treffend ist in diesem Zusammenhang die Kritik an der offiziellen Darstellung des Karl Böhm auf der Website der Stadt Graz im Programmheft. Mal sehen, ob sich an dieser äußerst lückenhaften Biographie demnächst etwas ändert. “BÖHM” ist ein durchgehend packendes Stück, auch wenn es im letzten Abschnitt nicht gänzlich ohne Längen bleibt. Habjan erweist sich wieder einmal als Meister der Puppenspielkunst, wobei auch die Gestaltung seiner großen und kleinen Figuren Lob verdient. Bis 27. Juni gibt es die Möglichkeit, den Alten mit tiefster Verachtung “bääah!” sagen zu hören.

Foto: “Böhm”, Nikolaus Habjan, © Lupi Spuma 2018

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