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Theater des Monats

“Der Schüler Gerber” von Friedrich Torberg. Bis 27. April im Next Liberty Graz

Der Klassiker aus dem Jahr 1930 ist ein Phänomen. Die “schwarze Pädagogik”, die im Stück mit dem Quälgeist Kupfer thematisiert wird, ist inzwischen (hoffentlich!) weitgehend aus unseren Schulen verschwunden. Und doch werden sich auch viele heutige Jugendliche sehr schnell in den Schüler Gerber einfühlen können. Wichtige Vorbemerkung: Auch wenn das Next Liberty ein Kinder- und Jugendtheater ist, so ist das Stück mit dieser Inszenierung für alle zwischen 14 und 140 Jahren bestens geeignet.

Der in höchstem Maße ungerechte Lehrer, der Schüler, der sich immer mehr anstrengt, um doch noch die Matura zu schaffen, die Klasse, die aus den typischen Charakteren – vom Streber bis zum Entertainer – besteht, all das hat nichts an Treffsicherheit verloren. Dazu trägt wesentlich bei, dass vor ziemlich genau 18 Jahren der Tiroler Autor Felix Mitterer den “Schüler Gerber” für das Next Liberty bearbeitete.

Schon damals führte Michael Schilhan Regie – und auch in dieser Neuauflage gelingt das gar nicht so einfache Unterfangen bravourös. Mit jeder Minute wird das Geschehen auf der Bühne dichter und packender. Die Frage des Bühnenbilds wird von Mignon Ritter genial gelöst. Die große Tafel bietet nämlich eine zweifache und dreidimensionale Projektionsfläche. Auf der Vorderseite wird gerechnet. Dahinter findet das Privatleben des Schülers statt: das Abendessen mit der Familie, der Kinobesuch mit der Angebeteten und das dramatische Finale. Auch die sonstige Ausstattung überzeugt durch ihre Annäherung an das Original. Schilhan und sein Team widerstehen der Versuchung, in die Szenen krampfhaft gegenwärtige Bezüge einzufügen, das gilt auch für die Musik von Maurizio Nobili und für das Lichtdesign von Viktor Fellegi. Selbst an den Geruch des gestrengen Prüfers hat man gedacht.

Grund zur Euphorie ist vor allem die Besetzung. Helge Stradner brilliert in der Rolle als Lehrer Kupfer, verzieht keine Miene zum bösen Spiel und erzeugt eine durchgängige Atmosphäre des Schreckens. Ihm als Gegenüber der junge Michael Großschädl, der mit seinem Gerber sämtliche Brüche der Person zeigt und damit mehr als nur eine Talentprobe abliefert. Christoph Steiner gibt einen extralässigen Lewy, Amelie Bauer die überaus sympathische Schülerin Weinberg, auch Harwin Kravitz, David Valentek, Leon Wieferich, Michael Gernot Sumper und Yvonne Klamant verkörpern in jedem Augenblick ihre jeweilige Rolle in der Klasse in Perfektion. Die Zusammenarbeit des Next Liberty mit der KUG trägt hier wunderbare Früchte. Aber auch die arrivierten Schauspieler des Ensembles, der verständnisvolle Helmut Pucher als Professor Mattusch, Florentina Klein als Mutter und Martin Niederbrunner als Vater Gerber machen den Theaterabend zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Prädikat: Äußerst sehenswert!

Fotos: @ Next Liberty / Lupi Spuma 2018

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