Der in Ungarn geborene Pianist und Komponist Ernst von Dohnányi (1877-1960) zählt nicht zu denen, die einem breiten Publikum sofort etwas sagen. Er lebte in turbulenten Zeiten – und damit ist nicht allein die Weltpolitik gemeint, sondern auch die Musik. Über seine Lehrer beeinflusst von großen Meistern wie Brahms schaffte Dohnányi Schritt für Schritt den Übergang in etwas, das man trotz einer eher konservativen Grundhaltung als zeitgenössisches Schaffen bezeichnen könnte. Bereits in sehr jungen Jahren schuf er spannungsgeladene Werke, eines davon, das Klavierquintett Op. 1, das er mit 18 schrieb, wurde bei ARSONORE am Freitag, dem 8. September präsentiert.
Zuvor gab freilich die große österreichische Schauspielerin Birgit Minichmayr eine erste Kostprobe ihres Könnens, indem sie ausgewählte Poesie von Sándor Márai rezitierte. Es dauerte ein wenig, bis der Funke übersprang, doch schließlich sprang er sehr deutlich und vor allem Márais komische Momente begeisterten das Publikum.
Dann betrat eine Fünfergruppe die Bühne, die für herausragende Qualität bürgt. Pianist Markus Schirmer, Barnabás Kelemen und Yevgeny Chepovetsky an der Geige, Thomas Sedlitz an der Viola und Thorleif Thedéen am Cello wagten sich an das komplexe Klavierquintett Nr. 2 es-Moll op. 26. Von einem wilden Durcheinander ging es in Sekundenschnelle zu einem harmonischen Miteinander, opulente Bilderwelten entstanden im Kopfkino der Zuhörer. Hochkonzentriert und zugleich leidenschaftlich ging das Quintett ans Werk. Die Balance der Instrumente war perfekt, das Klavier übertönte nicht, wie es doch recht oft der Fall ist, die Streicher, sondern spielte eine wichtige Rolle unter fünfen.
Nach der Pause war Minichmayr ganz in ihrem Element. Aus dem Roman „Wandlungen einer Ehe“ rezitierte sie so eindrucksvoll, dass man meinen konnte, nicht nur die Protagonistin stünde im Raum, sondern auch ihre Gesprächspartnerin sowie der verflossene Ehemann und dessen seltsamer Freund. Die intensive Darbietung macht große Lust darauf, den gesamten Roman zu lesen. Ein Hörbuch mit der Minichmayr wäre natürlich noch besser.
Zum großen Finale gibt es dann das erwähnte Frühwerk von Dohnányi. Doch wer gedacht hatte, dieses sei vielleicht etwas unreif und daher ans Ende des Abends gelegt worden, hatte sich gewaltig getäuscht. Geradezu bombatische Stimmungen zaubert das Klavierquintett in den Planetensaal. Diese Aufführung hätte auch in einem deutlich größeren Ambiente für Gänsehaut gesorgt. Seltsam eigentlich, dass sich das ARSONORE-Publikum zwar durchwegs enthusiasmiert zeigte, sich aber nicht zu Standing Ovations hinreißen ließ. Verdient hätten es sich die Rezitatorin ebenso wie die fünf Musiker, die allerdings auch so hochzufrieden wirkten. Kein Wunder, dieser Dohnányi-Abend war keine einfache Fingerübung, sondern mit Leichtigkeit präsentierte Schwerstarbeit. Eine Entdeckung im wahrsten Sinne des Wortes. Am Samstag, den 9. 9. geht ARSONORE für heuer ins Finale.
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Fotos: ARSONORE 2017/ Martin Hauer