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herbstblog 5: Schlauf gut, Cosmic Baby!

Blixa Bargeld solo beim musikprotokoll. 
6. Oktober, Dom im Berg

Der Mann sieht von der Seite in seinem grau glänzenden Anzug aus wie der Leiter einer Kreissparkasse in Niedersachsen. Aber nur eine halbe Stunde lang. Dann schüttelt Blixa Bargeld sein Haupthaar – und da ist es wieder, das Tier im Mann. In seinem Soloprogramm mit Loop (“Schlaufen” nennt Herr Bargeld das), mehr oder weniger unterstützt vom Tontechniker (“Mephisto”) singt, kreischt, parliert und quietscht sich das einstige Oberhaupt der “Einstürzenden Neubauten” quer durch das Planetensystem. “Ein kleines bisschen Entertainment” verspricht er zu Beginn, doch es sollte ein großer Abend werden.

Wenn Bargeld das Publikum über Astronomie unterrichtet, in zwei Chöre einteilt, nach Worten für einen imaginären Ringkampf sucht, dann vermischt sich Intellekt mit der brachialen Lust nach dem Aufbrechen von Hörgewohnheiten. Das funktioniert heute wie damals, in Zeiten von glattgespülter Musiktapete vielleicht sogar noch besser als in den wilden 1980er Jahren. Der Mann, das weiß man längst, kann ohnehin tun, was er will, es ist immer höchst unterhaltsame Kunst. Einer der Höhepunkte des Programms im gut gefüllten Dom im Berg ist die Nacherzählung einer einsamen Autofahrt. Keine Musik dabei. Also Radio. Herr Bargeld landet bei Sunshine FM. Wie er die entmenschlichte Kommerzbeschallung imitiert (“Cosmic Baby, dance!”) möchte man sich am liebsten noch dreizehnmal anschauen. Aber nicht auf Youtube, gefilmt mit dem Telefon aus der ersten Reihe, wie Blixa Bargeld einem Besucher recht deutlich klar macht. Schön wars.

Foto von Blixa Bargeld: © David Visnjic

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