Der September scheint sich zu dem Monat zu entwickeln, in dem alle Bands ihre Neuerscheinungen auf die Hörerschaft loslassen und zugleich die österreichischen Konzertbühnen bespielen. Entsprechend schwer war die Auswahl. Hier die Top 5 der Haubentaucher-Redaktion.
BRETT NEWSKI: „Land, Air, Sea, Garage“ CD / Make My Day Records / Indigo 2016
Der Songwriter aus Milwaukee geht es etwas subtiler an als das Indie-Hörer vielleicht gewohnt sind. Der eine oder andere „la-la-la“-Chor sollte einen aber nicht auf falsche Fährten locken. Den Folk der vorigen Platte hat Newski zugunsten von eingängigem Indierock beiseite geschoben. Der Kerl hat es faustdick hinter den Ohren und Kommerz ist das letzte, das ihn interessiert. Mit dem ersten Song „Garage“ (und Nr. 3 und Nr. 4 und eigentlich der ganzen CD) müsste er trotzdem schon auf allen Alternative Radios in Dauerschleife laufen. Tut er übrigens auch in anderen Landen, wenn man der engagierten PR-Lady aus Wien glauben darf. Wunderbare Songs, die irgendwie geschickt zwischen Realität, bissl Schmutz und Schmerz und dann wieder großen Hoffnungen segeln. Und natürlich geht es hier nicht ohne Bezugnahme auf US-Musikheroen ab. Nur sind die Vergleiche der Kollegenschaft teilweise so absurd, dass wir sie hier gar nicht zitieren. Wichtiger: Die Platte ist ein kleines Juwel. Davon kann man sich im Oktober dann auch im PPC in Graz (5. 10.), Rhiz in Wien (6. 10.), in der Anziehbar in Dornbirn (7. 10.) und im Bart in Timelkam (8. 10.) überzeugen. Hingehen, Kaufen, Liebhaben. Nicht zuletzt auch wegen der großartigen Grafik von Ryan Lynch.
SHOTGUN JIMMY: „Field of Trampolines“ LP / CD / digital, You’ve Changed Records 2016
Der Jimmy, der in seinem kanadischen Pass Jim Kilpatrick als Namen stehen hat, passt perfekt zu Mr. Newski. Auf seinem sechsten Album hat er zehn wunderbare Indie-Songs vereint, die allesamt zum Mitsingen und fröhlichen Mitwippen einladen. Klassisches Songwriting irgendwo zwischen Rock und Pop, losgelöst vom Stress der Gegenwart. Dass der Mann das alles im Alleingang eingespielt hat, ist zu Beginn schwer zu glauben. Wer sich aber das Video auf Youtube ansieht, merkt, dass Jimmy nicht nur Humor hat, sondern auch richtig viel musikalisches Talent. Die Plattenfirma spricht von Sommerfeeling und Urlaubsmusik, aber das Album kann man auch im herbstlichen September sehr gut zur Stimmungsaufhellung gebrauchen. Den Beweis tritt Shotgun Jimmy Anfang September in Wien an. Am 2. 9. spielt er im Fluc. am 3. 9. am Volksstimmefest. Vorher und nachher kann man ihn auf diversen deutschen Bühnen sehen.
VOODOO JÜRGENS: „Ansa Woar“ CD / LP / Lotterlabel / Hoanzl / Broken Silence 2016
Back to Austria, willkommen in der schönen Wienerstadt. Dort tobt seit einigen Monaten ein Orkan, der nach Beisl, nach Tschick, einer langen Nacht und verschüttetem Bier riecht. Nein, nicht Wanda ist gemeint. Und auch nicht der Nino. Nein, dazwischen ist noch Platz für einen wie Voodoo Jürgens. Der steht in der Tradition des durchaus nicht nur romantisch veranlagten Wienerlieds, wie es zuletzt Ernst Molden salonfähig machte. Da fliegen die Watschen tief und die Alimente sind auch wieder überfällig. Aufgenommen wurde das teilweise in Graz von Wolfgang Möstl. Der Fuzzman aus Klagenfurt und die Ja, Panik Partie waren auch beteiligt an „Ansa Woar“. Traumhaft ist die Nummer „Gitti“ mit einem 1a Gastauftritt von Eva Billisich. Lässig ist aber sowieso die ganze CD und dass die ausgegrabenen Toten schon ein bissl vom Radio totgespielt sind, dafür kann der Voodoo ja wirklich nix. Ab 7. Oktober tourt das goldene Wienerherz durch die Lande, das Flex ist zum Auftakt dran, Graz am 19. 11., aber auch München und Zürich werden Herrn Jürgens heuer noch kennenlernen.
HELLA COMET: „Locust Valley“ LP / CD/ Noise Appeal Records 2016
Von dieser österreichischen Band hatten wir schon länger nichts mehr auf unserem kleinen Popkulturportal. Womöglich zu Unrecht, denn auf Locust Valley zeigen Lea, Frente, Jure und Maex aus Graz, dass sie in den fünf Jahren seit ihrem umjubelten Debut „Celebrate your loss“ an internationalem Format, aber auch an Eigenständigkeit weiter zugelegt haben. Sehr noisy, sehr gitarrenlastig, treibend und ohne die geringste Tendenz, allen gefallen zu wollen. Im Pressetext wird an die Bewegung der Riot Grrrls erinnert, was allein schon aufgrund der sehr dominanten Vocals nicht unberechtigt ist. Generell könnte man Locust Valley als Hommage an die späten 1980er und frühen 1990er sehen, als Auftritte von Indie-Rockbands auch außerhalb der Festivalsaison für großen Anklang sorgten – selbst in verschlafenen Nestern wie Graz oder Seattle. Anfang September erscheint die CD, dann geht es erst mal nach Deutschland (Hannover, Hamburg, Dresden,…), in Wien sind die Hellas beim Waves am 30. 9., in Graz am 1. Oktober, derzeit noch an ungenanntem Orte.
HANNAH EPPERSON: „Upsweep“ CD/ ListenRecords 2016
Die junge Musikerin stammt aus Salt Lake City und wuchs in Vancouver auf. In Europa ist sie mit klassischen Liedern erstmals aufgefallen, nun verfolgt sie ein Albumprojekt, dessen erster Teil „Upsweep“ ist. Passend zu ihren beiden musikalischen Schwerpunkten, der Klassik und dem Pop, hat Epperson zwei Charaktere geschaffen, Amelia und Iris. Die beiden prägen das Album. Doch da ist auch noch Skyler, der im Begriff ist, einen sehr gefährlichen Weg einzuschlagen. Upsweep bezaubert mit einer Stimme, die einem immer wieder die Gänsehaut aufzieht, mit sensiblen Streichern und eingängigen und doch stets ein wenig mysteriösen Songs. Filmmusik fürs Kopfkino. Nichts für Härtlinge, aber ein Pflichtprogramm für Freunde der sanfteren Klänge. Zum Albumrelease Mitte September startet Hannah Epperson eine ausgedehnte Europa-Tour. Salzburg ist am 29. September dran, Wien am 1. und Graz am 3. Oktober. Wer der vielseitigen Künstlerin auch visuell folgen will, dem empfehlen wir ihre Instagram-Seite.