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Sachbuch des Monats: Marcel Koller

Hubert Patterer: “Marcel Koller. Die Kunst des Siegens”, Kleine Edition 2015

Gutes Timing, Herr Chefredakteur. Rechtzeitig vor Weihnachten erschienen und wochenlang massiv im eigenen Blatt beworben, schaffte es Patterers Lobeshymne auf den österreichischen Fußballnationaltrainer auf die Bestsellerlisten. Großer Vorteil des Buches: Der Kleine Zeitung Chef reist mit dem gebürtigen Schweizer zu den wichtigsten Stätten dessen bisheriger Biographie und interviewt Koller ebenso wie einige Weggefährten. Schöne Fotos und interessante Details sind die Folge. Wo allerdings der Journalist in längeren Textpassagen zum Autor mutiert, muss man als Leser eine gehörige Toleranz für hohles Pathos aller Art aufbringen. Das beginnt bereits beim Untertitel des Buches: “Der Menschenformer” und setzt sich im Inneren fort. So beginnt ein Kapitel mit dem hochtrabenden Satz: “Wo Marcel Kollers Handschrift erstmals sichtbar wurde und die Siegreichen im Hochgefühl für kurze Zeit den rechten Weg verließen.”

Kritische Distanz zum Subjekt seiner Neugierde entwickelt Patterer in keinster Weise, auch dort nicht, wo es angebracht wäre. So wird Koller etwa wegen seiner enormen Leidensfähigkeit gelobt, anstatt zu hinterfragen, was es bringt, sich selbst zum Sportinvaliden hoch zu trainieren. Ein weiteres Manko für Fußballinteressierte: Über Taktik will Patterer so gut wie nichts wissen – und Koller so gut wie nichts erzählen. Dennoch: Mit selektiver Lektüre und Konzentration auf die Interviews gewinnt man mit der Biographie neue Einblicke in die Arbeitsweise und Lebensgeschichte des erfolgreichen Trainers. Die Glorifizierungsversuche und die unübersehbare Tendenz des Autors, sich am ungeliebten Wiener Fußball abzuarbeiten, sollte man einfach überblättern.

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