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Romane

Roman des Monats: Stoner

John Williams: „Stoner“, erschienen bei dtv 2013
„Nun begann er zu begreifen, dass die Liebe weder Gnade noch Illusion war, vielmehr hielt er sie für eine Art der Menschwerdung, einen Zustand, den wir erschaffen und dem wir uns anpassen von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick durch Willenskraft, Klugheit und Herzensgüte“,  schreibt Autor John Williams in seinem im Jahre 1965 geschriebenen, fast schon vergessenen und 2006 wiederveröffentlichten Roman „Stoner“.
 
Eine von vielen Erkenntnissen, die der Protagonist des Romans, William Stoner, im Laufe seines Lebens – berührend erzählt in 27 kompakten, aber vielschichtig fließenden Kapiteln gewinnt.
Der Bauernsohn Stoner wird 1910 auf die Universität geschickt, um Landwirtschaft zu studieren, entdeckt dort seine Leidenschaft zur englischen Literatur und bleibt dieser Liebe sein Leben lang treu. Er bleibt auf der Uni, unterrichtet (anfangs als Dozent, später als Assistenzprofessor), geht eine unglückliche Ehe ein, wird Vater einer Tochter und führt eine glanzlose Karriere. Die gemeinsamen Momente mit seiner Tochter, ein Seitensprung mit einer Studentin und seine mittlerweile allseits bekannten Lehrveranstaltungen können als Höhepunkte seines Lebens – nebst vieler  Enttäuschungen und Verletzungen – empfunden werden. Stoner ist eine große, suchende Seele, irgendwo zwischen Zweifel, Hoffnung und Treue. Ein klassischer moderner amerikanischer Roman über Liebe, Arbeit und Tod.
 
Im entspannten Erzähltempo vermeidet John Williams Hysterie und Aufregung und fesselt den Leser durch feingeschliffene Betrachtungen und Gefühle. Die magisch entschleunigte Ausstrahlung der Geschichte überzeugt (fast) vollständig und führt die Leserschaft in eine unerwartete Reise durch das Amerika zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Am Ende wirkt alles wie ein entlastendes Durchatmen, als wäre man einige Längen geschwommen und stiege zufrieden aus dem Becken.

Williams erinnert manchmal an Truman Capote („Kaltblütig“) oder an John Cheever („Der Schwimmer“) und ist dann doch wieder einzigartig in seinem Stil. Sein „Stoner“ ist großes Kino (Wann kommt der Film?), der Autor ist einer der wenigen, die den Leser auf der ersten Seite abholen und am Ende ganz sanft absetzen. Chapeau!

Ein Gastbeitrag von aL

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