Gleich zwei Berichterstatterinnen entsendete der Haubentaucher zur La Strada Eröffnung 2012. In den kommenden Tagen werden wir unregelmäßig, aber doch, vom Festival für Straßentheater aus Graz berichten. Stay tuned…
Sequence 8
La Strada wird dieses Jahr von der kanadischen Künstlergruppe The 7 Fingers in der ausverkauften Grazer Oper eröffnet. Die aus 8 Künstler und Künstlerinnen bestehende Truppe verschafft dem begeisterten Publikum spätestens nach den ersten akrobatisch überwältigenden Einlagen das ein Jahr zurückliegende La Strada Gefühl: Lust auf mehr, Freude an entstehenden Bildern und Eindrücken, die bleiben werden. La Strada überrascht auch bei dieser Produktion wieder mit der Vielfalt, die aus einfachen Dingen entstehen kann – so werden Keramikziegel (oder sind es doch Bücher?) zu Jonglierwerkzeug, um Sekunden später als Maschinengewehr zu fungieren und zu töten.
Beziehungen entwickeln sich und werden kurz darauf wieder zerstört um in neuen Kontexten neu zu entstehen, symbolisiert durch schwarze Klebebänder, die dem Druck der Anforderungen nicht standhalten. Man hat als Zuseher keine Ahnung, in welchem Genre man sich gerade befindet: ist man im Zirkus, in dem ohne Netz gearbeitet wird und man nicht mehr weiß, ob es Spiel oder Ernst ist, wenn manches nicht gelingt – oder doch in einem Musical? Gleich darauf ist man in einer Quizshow und hat die Chance einen der Künstler für eine Nacht zu gewinnen. Dann ist es wieder perfekt abgestimmter Tanz, der von clownesken Einlagen unterbrochen wird.
Trotz mancher nicht erklärbar erscheinender Sequenzen ist es ein wunderschöner erster Abend, der fasziniert und viel Gesprächsstoff gibt – der wieder neue Beziehungen, und um die scheint es in dem Stück zu gehen – entstehen lassen kann.
Foto: La Strada / Clemens Nestroy
Wirbelnde Materie
The 7 fingers: Sequence 8
I catch your bullets with my hands. Irgendwie ist diese Songzeile (so oder so ähnlich) hängengeblieben. Weil es Sequence 8 trifft: Physikalisch denkbar Unmögliches in Emotionen verpackt. Oder vice versa. Zwischen Zirkusakrobatik und Poesie, eingefangen vom Farbenspiel der schlichten und umwerfend schönen Bühne, getragen vom Sound der Musik und der herumwirbelnden Menschen, bleibt einer schon mal der Mund offen. Dass es dabei um Beziehungen geht, zwischenmenschliche, mit und ohne Liebe, wird irgendwie klar – scheint im Moment des Dabeiseins aber nebensächlich, zu groß ist die Sogwirkung der Akrobatik. Stangen, Wippen, Reifen, Ziegel, ein einziger Tanz, manchmal furios, beängstigend, manchmal fließend, berührend schön. Im nach hinein lese ich über das Leitmotiv der Show. „Das Treffen zweier Persönlichkeiten ist wie der Kontakt zweier chemischer Substanzen: Wenn es eine Reaktion gibt, werden beide transformiert.“ (C. G.Jung) Macht Sinn. Durch die Vielzahl an Szenen und inszenierten Brüchen ging dabei schon etwas von der Erzählung ums menschliche Beziehungsgefüge verloren. Aber die Bilder, die die unglaublichen acht Performer in die Luft malen, die bleiben.
Bericht: Nicky S.