Jonas Engelmann: “Der Text ist meine Party. Eine Geschichte der Hamburger Schule“, Ventil Juni 2024
Hamburg ist schon so eine Nummer. Manchen (in Berlin) erscheint die Stadt als viel zu brav, spießig, schnöselig. Dabei kann sie wild und dreckig sein, freiheitsliebend, beschwipst und vor allem: geistreich. Daran ist unter anderem die Hamburger Schule schuld, die ab Ende der 1970er/ Anfang der 1980er ihre ersten Gehversuche machte und sich bald in mehrere Richtungen aufspaltete. Bands wie Tocotronic, Cpt. Kirk &., Die Sterne oder Blumfeld wurden groß. Andere blieben im Dunkeln oder wechselten in die Schlagerecke. Wie es begann, tröpfelte es Jahre später immer fahler dahin. Irgendwann in den Nullerjahren nahm der Schulbesuch deutlich ab, auch wenn manche der Bands nach wie vor aktiv sind.
Analog ist besser
Was aber macht die Hamburger Szene so bemerkenswert? Es waren sicher nicht zuletzt diese ganz besonderen Texte zwischen Ironie und Geniestreich, zwischen Lakonie und Totalabsturz – und daher stimmt der Buchtitel. Andererseits bezweifeln manche der handelnden Personen im Buch, dass es überhaupt so eine Schule gegeben habe. Und auch die Liebe zu den Texten wurde von den Bands selbst immer wieder in Zweifel gezogen oder gar verarscht. Das alles ändert nichts daran, dass die Party eine spaßige und spannende war. Der Autor selbst allerdings gesteht sympathischerweise gleich im Vorwort: Seine Party war es nicht, dazu kam er zu spät mit Geburtsjahr 1978.
Zwielicht
Das Dialektische wird im Buch groß geschrieben. Kaum wird eine These aufgestellt (oder nacherzählt), wird sie auch schon wieder kritisiert (und verworfen).
Bad Salzuflen war voll wichtig für die Entwicklung.
Das Narrativ ist total überstrapaziert.
Was kann nun das knapp 230 Seiten starke Werk? Viel. Engelmann erzählt die Geschichte präzise nach und bedient sich dabei verschiedenster Auskunftspersonen. Namentlich: Bernd Begemann, Myriam Brüger (L’Age D’Or), Ale Dumbsky (Buback), Ebba & Jakobus Durstewitz (JaKönigJa), Charlotte Goltermann (L’Age D’Or), Carsten Hellberg (von der Band mit dem allerbesten Namen:
Rezension, Baby!
Vielfältig wie das Musikleben in Hamburg, das letztlich vom Pop über den Punk und Indie bis hin zum Soul und dem Hiphop reichte, ist auch die hier erzählte Geschichte. Abgerundet wird die Historie durch 17 Plattenbesprechungen von Benjamin Moldenhauer. Und weil wir zwar das eine oder andere, aber längst nicht alles zu Hause haben, werfen wir jetzt mal das böse Streamingportal an. Oder kaufen uns gleich die Platte zum Buch. Das Hamburger Label Tapete Records bringt nämlich auf CD und Vinyl eine Compilation heraus mit den wichtigsten Alumni der Hamburger Schule: »Der Text ist meine Party – Die Hamburger Schule 1989–2000«. A bisserl was geht immer!