MATS SCHÖNAUER und MORITZ TSCHERMAK: “Ohne Rücksicht auf Verluste. Wie BILD mit Angst und Hass die Gesellschaft spaltet”. Kiepenheuer & Witsch 2021
Es gibt wahrscheinlich kaum jemanden, der die “Bild” so aufmerksam und regelmäßig liest, wie die beiden Journalisten Schönauer und Tschermak. Sie betreiben den (oder das) Bildblog, der (oder das) ständig auf der Suche ist nach Recherchefehlern, Regelverstößen und anderen Grausamkeiten des sehr oft blutrünstigen Brachialboulevardmediums. Das Buch ist nun aber deutlich mehr als eine Auswahl dieser Postings, es ist eine massive, sehr gut strukturierte und penibel mit Quellen belegte Anklage.
Das beginnt mit Fouls, die Bild-Chef Julian Reichelt salonfähig gemacht hat, wie kaum ein anderer im deutschsprachigen Raum. Nicht nur Promis wie Günther Jauch sind davon betroffen, sondern auch bis dato unbekannte Opfer von Gewalttaten sowie Unschuldige, die von der Bild an den medialen Pranger gestellt werden. Schönauer und Tschermak zeigen im Detail, wie Bild Fakten verdreht, um Stimmung zu machen, etwa gegen MigrantInnen, gegen ganze Länder wie Griechenland, gegen RichterInnen. Die Lust an Sexismus und der Aufstachelung niederer Instinkte ist der Bild wahrscheinlich im genetischen Code eingepflanzt, doch das, was Reichelt aus dem Blatt gemacht hat, jagt beim Lesen wirklich die Gänsehaut über den Buckel. Die Autoren zeigen, wie kalkuliert das alles vor sich geht, wie stark die Mitverantwortung der Bild ist für den Aufstieg von Pegida und AfD, trotz aller halbherziger Distanzierungen. Interessant ist dabei auch die Mitwirkung von Insidern, die die Strategien der Bild sehr genau kennen.
Es gibt einen Trost: Die Auflage der Bild sinkt rapide. Aber immer noch lesen viel zu viele Menschen unkritisch diesen medialen Trash. Es ist kein Spaß, die über 300 Seiten starke Abrechnung zu lesen, aber: Es ist sehr erhellend. Und erinnert zuweilen auch an das Schattenreich des Wolfgang Fellner.