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Musik

Tonträger des Monats September / INT

ANIIML: “Oh Awe”, Label: Aniiml Lovr, VÖ 27. 9. 2019

© Pic: Sequoia Emmanuelle

Oh Awe! Die ersten Sekunden reichen und man ist hin und weg. “Was ist denn das?” kommen schon begeisterte Rufe aus dem Hintergrund der Haubentaucher-Wohnstatt. Ja, die Stimme ist ein Wahnsinn und dazu kommt ein Sound, der sofort einfährt. Aber wer ist jetzt eigentlich ANIIML? Geboren wurde die Künstlerin in Kanada, heute lebt sie in LA, ein paar deutsche Vorfahren wären da auch noch. Und wenn man auch vielleicht den Namen noch nicht gehört hat, ein paar Songs ziemlich sicher schon.

Schließlich wurde Material von ANIIML in TV-Serien wie Lucifer, The Royals oder VICE verwendet, in Werbe-Spots und als Untermalung für Jingles. Klingt nach Geldverdienen als Hauptmotiv. Das Gegenteil aber ist der Fall.

Sie hat sehr klare Überzeugungen, ist Veganerin und Animal Rights Aktivistin. Sie ist Filmemacherin und Produzentin. Vor allem aber ist sie eine wunderbare Musikerin, die R’n’B mit kraftvollem Pop mischt, ihre Songs allesamt mit dem gewissen “Boom” versieht und so auch Leute erreicht, die womöglich mit den Inhalten nicht d’accord gehen würden. Pech gehabt, Freunde. Aniiml hat euch. Jetzt kommt ihr nicht mehr aus. Demnächst in eurer Nähe.

3.10. Wien | Rhiz (AT)
4.10. Wolkersdorf | Outback (AT)
5.10. Klagenfurt | Wohnzimmer (AT)
7. 10. München
(Hey, ihr Grazer Veranstalter, fällt euch was auf?)

ONE TRUE PAIRING:  “One True Pairing”, Domino Records, VÖ 20. 9. 2019

Welch merkwürdiger Kerl schleicht sich denn da in unsere monatlichen Vorstellungen? Es ist Tom Fleming, den man von den Wild Beasts kennen sollte. Kollege Hayden Thorpe hat im Mai vorgelegt, nun zieht Fleming quasi nach.

Und wie. Irgendwo zwischen Electro und Pop liegt die seltsame Welt dieses vielseitigen Musikers. Er erinnert dabei in Sachen Klamotten und Verhaltensauffälligkeit an den einen Typen in der Dorf-Disco, der partout Prince hören wollte oder noch ärger Kraftwerk. Und dann hat es wieder Tetschn gegeben…

Er selbst übrigens sieht seine erste Solo-Platte als “Rockalbum” und als “Protest gegen den guten Geschmack.” Okay, die Gitarre ist etwas abseitig gestimmt, die Synthies klingen ziemlich wütend, ebenso wie die Texte, die man auch gerne als Kampfansage an Frau May, Herrn Johnson und Co. interpretieren darf. Weil “I’m not afraid”.

Sind wir auch nicht, sondern vielmehr hingerissen von diesem cheesy Sound, der Stimme, dem trotz aller Poppigkeit sehr erdigen Konzept, denn um ein solches handelt es sich hier. Oder wie der Meister selbst verlautbaren lässt: “I wanted to write about the real world, I didn’t want it to be an artistic, poised, tasteful record, it’s neo-heartland rock. One True Pairing is a name taken from internet fan fiction, where you write the perfect relationship you always wished existed. The idea of Prince Charming and Helpless Princess living happily after is no fun at all.” Eben.

Viel mehr Fun hingegen dürften die Auftritte des britischen Prince Uncharming sein. Und da tät sich jetzt auch ein Ausflug nach Hamburg auszahlen, am Reeperbahn Festival vom 18. bis 21. September spielt nämlich unter anderem Herr Fleming (und Herr Bibi Ahmed, aber zu dem kommen wir noch später)…

GØRL: “Gold”, Puppengold, VÖ 20. 9. 2019

GØRL, Danke vielmals für den unkomplizierten Künstlernamen, heißt bürgerlich Mikala Nørgaard und passt irgendwie super nach Mr. Fleming. Weil sie nämlich auch Rock macht, aber doch sehr anders. Ein Vollbad im reichlich abgestandenen Klischee, und das sogar absichtlich. Vor allem aber mit viel Expertise, hat sie doch angeblich schon in der Kindheit mit entsprechenden Posen (und dem dazu passenden Styling!) den Nachbarburschen Angst und Schrecken eingejagt. Die Frau vergisst man sowieso nicht so schnell, ist sie doch gute 1,85 Meter hoch und von temperamentvoller Art.

“Gold” also, das ist theatralisch, dänisch, rockistisch, psychedelisch und mit einem deutlichen Geschmack nach Bier. Und wenn gerade nicht angestoßen wird, dann macht es halt musikalisch “bumm!” und “hugh!” wie in einer dieser germanischen Country-Rock-Partien mit den vielen Tattoos.

Nur, dass es GØRL halt am Ende doch spielerisch meint und nicht “bierernst”. In ihren stärksten Momenten löst sie sich übrigens von den Vorlagen und macht einfach Songs, die einem vor Freude die Ganserlhaut aufziehen. Besonders schön, dass sie dann auch den hier sehr gern gefeierten Sir Tralala für ein grandioses Duett gewinnen konnte (“Missing Sailor”). Da kann sich Nick Cave mitsamt Kylie noch ein Scheiberl abschneiden. Am 2. Oktober ist die Release Party/Show im Grillx in Wien. “Bumm!”

FISCHER-Z: “Swimming in Thunderstorms” VÖ 13. 9. 2019

© Sam Shaw

Es ist wie mit dem einen oder anderen Freund aus der Jugend. Erst sieht man ihn eine Ewigkeit nicht und dann begegnet man ihm plötzlich mehrmals am Tag. So ähnlich läuft das auch mit uns und John Watts alias Fischer-Z.

Im Sommer angekündigt, ist er nun da der Longplayer, auf den zumindest wir schon geraume Zeit gewartet haben. Begonnen hat alles mit “Word Salad” vor 40 Jahren (und das Erschreckende daran: Wir hatten die Platte und können sie jetzt nicht mehr finden). Fischer-Z war damals irgendwie Art Punk, aber wenn wir ehrlich sind, auch nicht wahnsinnig weit weg vom Mainstream.

Das war und ist das Schöne daran: Man kann es fast zu jeder Gelegenheit hören, es nervt auch beim 100. Mal noch nicht, es passt einfach immer irgendwie. Die Stimme von Watts ist älter geworden, aber das schadet überhaupt nicht. Und die Songs beginnen immer noch nach Schema F, aber das könnte man ja auch einfach als Markenzeichen sehen.

Der Mann hat gut 20 Alben im Kasten, über 3.000 Konzerte gespielt und liefert mit “Swimming in Thunderstorms” eine wunderbar reife Platte ab, die übrigens auch politischer ist als so manches Vorgängerwerk. Prädikat: 5-Sterne-Nostalgie, die es locker mit der Gegenwart aufnimmt.

BIBI AHMED: “Adghah”, Sounds of Subterrania, VÖ 30. 8. 2019

Wenn wir etwas an unserem wenig glamourösen Blogger-Dasein schätzen, dann die Abwechslung. Man weiß nie, wer oder was als nächstes um die Ecke biegt. Diesmal ist es Bibi Ahmed, er stammt aus Niger und zwar aus einer Gegend, die Medien gerne “Krisenherd” nennen. Die Region Agadez, in der die Tuareg die Bevölkerungsmehrheit bilden, ist voller Kultur (und Uran!), gilt aber auch als explosiv und ziemlich gefährlich. Und wer kann im wahrsten Sinne des Wortes davon ein Lied singen? 

Bibi Ahmed, der schon als Kind im Selbststudium Gitarre lernte und zugleich erfuhr, wie man als Tuareg ausgegrenzt und unterdrückt wird, sei es in Mali oder in Niger. Schließlich nahm ihn Abdallah Ag Oumbadougou, der Großmeister des Tuareg-Blues unter seine Fittiche. Nächster logischer Schritt war die Gründung einer Band, Group Inerane.

Viele andere flohen aus Niger, Bibi Ahmed blieb und so wurde er für die jungen Tuaregs zu einem wichtigen Botschafter ihrer Kultur. “Adghah” ist allerdings nicht einfach nur eine Sammlung an Songs für westliche Ohren, es ist das erste Solo-Album von Ahmed und die Bezeichnung stimmt wirklich, hat er doch alle Instrumente selbst eingespielt.

Das Ergebnis ist in höchstem Maße erstaunlich, denn hier gibt es keine 0815-World Music, sondern einen gut abgehangenen Mix aus Desert-Rock und Folk, dem hinreißenden Blues der Tuareg und dem traditionellen Tamachek Sound.  Gut, dass diesen großartigen Musiker nicht Ry Cooder in die Hände bekommen hat, sondern der verdienstvolle Label-Chef von Sounds of Subterrania, der sich Gregor Samsa nennt. Eine Platte, die euren Horizont entscheidend erweitern wird. Und vielleicht geht sich sogar ein Live-Konzert aus?

11.09. Copenhagen / Alice
13.09. Malmö / Inkost
15.09. Leipzig / Markthalle Plagwitz
16.09. Fürth / Rundfunkmuseum
17.09. Basel / Atlantis
18.09. Schaffhausen / Tab Tab
19.09. Freiburg / Cafe Atlantik
20.09. Nürnberg/
21.09. Hamburg / Reeperbahnfestival

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