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Roman des Monats: Nicht wie ihr

Tonio Schachinger: „Nicht wie ihr“, Kremayr & Scheriau, August 2019

Der Autor ist 27 Jahre alt. Und damit im selben Alter wie sein Protagonist Ivo. Der ist Profifußballer, zuerst in Österreich, dann in Belgien, in Deutschland und schließlich in England. Nicht ganz unwichtig: Ivo ist NICHT Ivica Vastic nachempfunden, auch wenn ein Zitat der Kronenzeitung („Ivo, jetzt bist du ein echter Österreicher!“) einst eine Schlagzeile war, die dem Austro-Kroaten gewidmet war und die in diesem Buch auch zu finden ist. Der Ivo in Schachingers Buch allerdings ähnelt einem anderen aktuellen Nationalspieler auf frappierende Weise. Details wollen wir hier nicht verraten, jeder heimische Fußballfan wird das Vorbild rasch erkennen.

Ivo ist cool, wird bewundert, in ihm brennt aber nicht nur Amore (zu seiner Jugend-Liebe Mirna) und Geilheit (vor allem in Hinblick auf die Brüste seiner Frau), sondern vor allem auch Wut. Auf die Hobbykritiker, die ihn und seine Spielweise nicht verstehen, auf Trainer, die ihn nur auf die Bank setzen, auf ahungslose Journalisten, PR-Leute, frühere Bekannte, die doch nur alle Loser sind. Und auf Mirna, die ihn ziemlich lässig auflaufen lässt. Die Sprache ist dem Anlass und der Sportart entsprechend derb. „Oida!“ findet sich gefühlt auf jeder zweiten Seite, „geil“ auf jeder dritten. Das Buch kommt in gehörigem Tempo daher, wie ein guter Kicker schafft es Schachinger aber auch, zuweilen die Geschwindigkeit zu drosseln. Erst einmal einen Überblick über die Situation bekommen, dann eiskalt zuschlagen.  So geht es über 300 Seiten dahin, dass es eine wahre Hetz ist.

Der Autor, aufgewachsen in Indien, Nicaragua und Wien, sozialisiert mit dem österreichischen Nationalteam in der Ära Alaba, Arnautovic, Dragovic, Junuzovic, thematisiert nicht nur die Gedankenwelt eines mehr oder minder einfältigen Profisportlers, der sich primär für schöne Frauen und schnelle Autos interessiert, er behandelt auch das Business rund um das runde Leder, um den Aufstieg eines jungen Mannes mit Migrationshintergrund vom „Käfig“ in Favoriten bis hin zu den größten Stadien Europas. Und er beschreibt die einigermaßen verzweifelten Versuche eines überforderten Mannes, so etwas wie ein guter Vater zu sein. Mutig sind Autor und Verlag übrigens  auch, denn verhaltenskreative Ex-Kicker wie Paul Scharner bekommen mit vollem Namen ganz schön ihr Fett ab.

27 Jahre, das ist ein schwieriges Alter, findet Ivo. Rockstars sind da oft schon im Nirvana. Fußballer  entweder halbkaputt oder gerade auf dem Sprung zum absoluten Ruhm und Reichtum. Ivo verdient blendend in England und doch wechselt er am Ende des Buches zum AS Roma. Für Autoren ist 27 hingegen ein gutes Alter, man gilt als jung und hoffnungsvoll. Zumindest, wenn man so gut schreiben kann wie Schachinger, der mit seinem Erstling gleich auf der Longlist des deutschen Buchpreises gelandet ist. Und zwar verdientermaßen…

By the way: Als Thomas Glavinic seinen Roman „Herr Susi“ über einen machthungrigen Fußballpräsidenten schrieb, ein schönes Gegenstück zu diesem Buch übrigens, war er 27 Jahre alt.

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