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Musik

Tonträger des Monats März / International

SOYBOMB: „Jonglage“, VÖ Februar 2019

Stellvertretend für ungefähr 12 neue und durchwegs interessante Platten aus der Schweiz in diesem Monat (was ist denn da los?) wollen wir euch Soybomb vorstellen. Denn seid ehrlich, liebe Leserleins: Niemand hier hat bisher von Andreas Achermann, Beda Mächler und Linus Gmünder gehört oder? Das sollte sich besser auf der Stelle ändern, denn die drei Herren, die vor kurzem nach Berlin gezogen sind, haben die lässigsten Videos Mitteleuropas, sehr fesche Cover und vor allem: Sie machen gut abgehangenen Pop mit eleganter Schräglage, einer erfrischenden Dosis Selbstironie und Coolness galore. 13 Songs, von denen kein einziger durchhängt. Und daher: Überraschung des Monats!


PANDA BEAR: „Buoys“, Domino Records / Goodtogo VÖ Februar 2019

Der Panda Bär bringt mit den „Buoys“ das erste Album seit vier Jahren auf den Markt. Er ist bei weitem kein Unbekannter, deutlich über 150.000 Facebook Fans sind auch irgendwie ein Gradmesser heutzutage. Dabei ist seine Musik sicher kein Massenprogramm, es zirpt, schwalbt, schwingt und hallt durch den Raum.

Noah Lennox, wie der Panda mit bürgerlichem Namen heißt, war eh schon länger im Soge des Hiphop unterwegs, hat sich aber weiter in Richtung Space-Electronic entwickelt. Wie es sich für ein brummiges Tierchen gehört, war der Bär bei der Gründung des Animal Collective anno dazumal an vorderster Front zu finden. Dann kam der Dub vollends in sein Leben und Noah Lennox übersiedelte schließlich nach Portugal, wo auch die neue Platte entstand. „Buoys“ ist in erster Linie einmal sehr seltsam, aus der Zeit gefallen, „speziell“. Zudem aber auch ungemein schön anzuhören, wenn man sich in die magische Stimme und die verschachtelten Soundstrukturen verlieren mag.

Wird jetzt eher kein globaler Bestseller, macht sich allerdings sehr gut in einer wirklich kultivierten Sammlung. Lieblingstrack gleich die Nr. 1: „Dolphin“. Plantsch!

OK SWEETHEART: „some space“, Amuse, VÖ Februar 2019

Erin Austin hat sich einen interessanten Künstlernamen ausgesucht und wenn sie über „Space“ singt, meint sie eher den Raum, um sich zu entfalten, als die Milchstraße. Vor etwas mehr als einem Jahr war sie im Lande mit ihrer Platte „Far away“, nun ist der nächste Streich erschienen. Und was wir damals sagten, stimmt immer noch: „Mrs. Sweetheart ist kein schillernder Popstar und auch keine wütende Rocklady, sie steht für Geradlinigkeit, Natürlichkeit und Songs, die einen geradezu süchtig machen nach mehr.“ Sehr souverän, sehr entspannt, ein bisschen gechillter Jazz mischt sich da in die Singer-Songwriter-Athmo.

Mit „We can do it“ ist Erin sogar eine Nummer mit absolutem Hit-Potenzial gelungen, aber wer weiß: vielleicht pfeift sie drauf und tourt lieber weiter in den kleineren Clubs, wo ihre ruhige Art auch besser aufgehoben ist. Blöderweise steht Graz diesmal nicht auf dem Plan, aber die Wiener/innen (16.3. Neruda), die Leute rund um Schloß Albeck (17. 3.) und die Menschen in Klagenfurt (19.3. Wohnzimmer) können sich freuen. Zauberhafte Platte mit einigen Überraschungen auf der textlichen Ebene. Ist Erin Austin am Ende gar zur Zynikerin mit Endzeitstimmung geworden, wie es der Pressetext andeutet? We doubt it!

BOY HARSHER: „Careful“, Nude Club Records / City Slang VÖ Februar 2019

Wer wirklich keine Scheu vor Problemen, Angst und Endzeit-Feelings hat, ist bei Boy Harsher sicher noch um einiges besser aufgehoben als bei Ok Sweetheart. „Dark Wave Underground“ nennt sich das musikalische Grätzel, das Augustus Muller und Jae Matthews bewohnen. „Careful“ ist denn auch weniger eine Gebrauchsanweisung, sondern eher eine Warnung.

Immer schön aufpassen mit den Schattenseiten des Lebens – und wer sich in die Biographie der beiden stürzt, wird merken, dass das keine hohle Geste ist, sondern leider jede Menge Grund zu schlechter Laune besteht. Die Platte ist trotzdem kein Depressionstheater, sondern ein subtiles und enorm verführerisches Spiel mit Licht und Schatten. Der Synthie plätschert erst einmal vor sich hin, dann setzen die Vocals ein, die wie aus einer Höhle hervordringen. Wer Boy Harsher bisher noch gar nicht gehört hat, möge sich den Bio-Text auf der Band-Website zu Gemüte führen, besser kann man es nicht sagen: „dark electronic duo that produces gritty dance beats infused with ethereal vocals, creating a sound that is eerie, intense and incredibly danceable.“ Das gilt vor allem auch für die extrem beliebten Live-Shows der beiden. Und bei aller gebotenen Vorsicht muss eines gesagt werden: Düster ist gerade in Zeiten wie diesen: Das neue sexy!

IN BALANCE: „18“,  Distrokid VÖ Februar 2019

Die drei Herren aus Lyon in Frankreich legen einen seltsamen Stil-Mix hin zwischen Garage, ein bisschen Space, dann wieder Stadionrock. Eine Spur cheesy und ordentlich retro. Aber jetzt kommt’s: Das ist sehr sehr tanzbar! Und wäre das ein bisschen cooler aufgestylt und käme aus Skandinavien, dann würden sich die einschlägigen Magazine und Blogs schon gegenseitig auf die Zehen steigen bei den Interviewanfragen und bei der Suche nach Superlativen. Aber so: Geheimtipp. Nicht mehr und nicht weniger.

Und auch wenn das sicher nicht jeder und jedem gefallen wird, es ist: Mitreißend. Laut aufdrehen und einfach das Hirn mal eine Runde pausieren lassen. „Electro Rock Alternatif“ nennen sie selbst ihren Sound und ehrlich: Das würden wir gern mal in einem Schuppen wie dem Q hören zu später Stunde. Vergesst das „Weltraum“-Geschwurbel in den diversen Texten auf der Website und anderswo. Das ist einfach R-O-C-K! Besonders geeignet für Leute, die sich gern ein wenig vom Mainstream oder den Indie-Konventionen abheben. Live offenbar eher selten zu erwischen. Schade eigentlich! 


BAYONNE: „Drastic Measures“, City Slang VÖ Februar 2019

Auch Roger Sellers ist keiner, der gern mit der Masse mitschwimmt. Seine drastischen Maßnahmen klingen freilich nicht brachial, sondern sehr differenziert, ätherisch fast, ganz schön komplex, und doch am ehesten unter Pop einzuordnen. Der Mann wurde schon in jungen Jahren von der Musik eines Steve Reich oder Terry Riley infiziert und das hinterlässt logischerweise Spuren. Unter den Songs auf diesem Album versteckt sich aber auch der eine mögliche (Indie-) Hit. Wie etwa die traumhaft wunderbare Titelnummer, die sowohl optisch als auch musikalisch klar macht, was es in Bayonnes Welt so spielt.

Voll super, aber hören Sie selbst, wertes Auditorium:

PALKO MUSKI: „Happy Therapy“ VÖ 8. März 2019

Eine Schweizer Band geht noch. Das Quintett Palko Muski aus Zürich und Bienne könnte man als Seeleverwandte von Russkaja sehen (deren neue Platte wird in der Ö-Übersicht besprochen). Polka, Punk, Disco, alles, was man laut und krachend spielen kann und was sich am Tanzboden gut macht. Bläser sorgen für den Speed, das Schlagzeug spielt eine wichtige Rolle, die Vocals bereiten Spaß.

Kein Wunder, dass die fünf stark gebucht sind, nur halt grad nicht in Österreich. Aber wenn jemand mal eine Band sucht, die Musikalität mit Lebensfreude verbindet, der möchte bei diesen Glückstherapeuten anfragen. Lässig!

NOGA EREZ: „Radar Reworked“, City Slang VÖ Februar 2019

Das Album „Off the Radar“ haben wir Ende 2017 hier ausgiebig gelobt. Ein Jahr später hat Noga Erez aus Tel Aviv knapp die Hälfte dieser Platte mit dem Camerata Orchester neu arrangiert und eingespielt. Nun erscheint „Radar Reworked“ in digitaler Form. Im Spannungsfeld von klassischer und heutiger Musik entwickelt sich großes Kino mit einer phantastischen Stimme. Die Produzenten von James Bond sollten sich das mal anhören, bevor wieder bei Adele angefragt wird.

Die Coolness kriegt nicht so schnell eine zweite hin, den dramatisch aufgeladenen Sound mit dem einen oder anderen Ausflug in den Orient auch nicht. Was im Original glasklarer Hiphop ist, wird hier in Schleifen gebracht und durch die Musikgeschichte gejagdt. Prädikat: *****

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