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Buch des Monats

Hör- und Streit-Buch des Monats: Prima la musica, dopo le parole

“Prima la musica, dopo le parole. Joachim Kaiser und Marcel Reich-Ranicki im Streitgespräch, moderiert von August Everding”. Westend Verlag 2018

Bei der Wahl dieses Buches hat sich die Haubentaucherin ein bisschen weit hinausgelehnt. Aber wer sich nicht hinauslehnt, lernt auch nicht dazu…

Das Buch ist wie eine Zeitreise, zurück zu den Abenden im literarischen Quartett, zurück zu einem grantigen Marcel Reich-Ranicki, der abwechselnd Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler maßregelte.

Diesmal steigt er mit dem bekannten Musik- und Literaturkritiker Joachim Kaiser in den Ring. Das Gespräch ist eine Aufzeichnung im Rahmen der Richard-Strauss-Tage aus dem Jahr 1995 und analysiert das Verhältnis von Text und Musik in der Oper.

Das Streitthema ist konkret die Qualität der Literatur in den Libretti diverser Opern. Was zu Beginn ein wenig an die Diskussion erinnert, ob die Henne oder das Ei zuerst dagewesen sei, entfaltet sich rasch zu einem tiefen Einblick in die Symbiose zwischen Musik und Literatur. Was behält nun in der Oper die Oberhand – die Musik als der unterhaltende und unterhaltsame Teil oder der Text als Vermittler einer Botschaft?

Der Zuhörer – denn auch gelesen ist diese Aufzeichnung fast ein Hör-Buch – wird hineingezogen in eine Auseinandersetzung, ob ein Libretto überhaupt nach den Kriterien der Literaturwissenschaft beurteilt werden kann. Warum Libretti überhaupt geschrieben werden und schließlich, dass Libretti zuweilen als Theaterstücke weniger erfolgreich, in der Vertonung als Oper jedoch zu den großen Werken zählen.

Marcel Reich-Ranicki entpuppt sich einmal mehr als brillanter Geist, der gemeinsam mit Joachim Kaiser nicht nur als Literaturwissenschaftler, sondern auch als Musikwissenschaftler brilliert. Die Diskussion wird in erster Linie Opernfreunde ansprechen, und ist für jeden, der sich der Oper neben der musikalischen auch von der inhaltlichen Seite annähern möchte, eine Bereicherung.

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