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Sachbuch des Monats: Warum unsere Chefs plötzlich so nett zu uns sind …

Wolfgang Jenewein: „Warum unsere Chefs plötzlich so nett zu uns sind – und warum sie es wahrscheinlich sogar ernst meinen“, Ecowin Verlag 2018

Autor Wolfgang Jenewein hat eine interessante Vita und einen spannenden Job: Er trainiert Großkonzerne auf Vorstandsebene aber auch Top-Mannschaften im Sport. So hat er vor einiger Zeit mit der zuletzt dann doch nicht mehr so erfolgreichen deutschen Fussball-Elf oder dem Alinghi Segelteam gearbeitet. Zudem gilt er als einer der einflussreichsten Berater in Deutschland, was Leadership in Unternehmen betrifft. Sein Buch beginnt er gleich mit aktuellen Bezügen und er nimmt sich dabei kein Blatt vor den Mund. Der VW-Skandal und die Führungskultur von Ex-Chef Winterkorn, die Flüchtlingsdebatte und die weit verbreitete Diskussion um das Verhalten von Merkel, all das wird erläutert und zwar nüchtern, sachlich und erfreulich objektiv.

Zitat Jenewein: „‚Wir schaffen das‘, sagte Kanzlerin Merkel und erntete heftige Kritik, weil sie keinen Masterplan vorlegte. Als könne ein Land einen Masterplan für die Bewältigung globaler Flüchtlingsströme haben. Daraus sprach die Sehnsucht nach der alten, übersichtlichen Zeit, nach einem General à la Winterkorn, der angeblich weiß, wo es langgeht. Merkel dagegen handelte nach Art eines modernen Anführers. Sie vertrat unerschütterlich die Vision eines freundlichen Deutschlands, handelte aber Schritt für Schritt, nach dem Prinzip Versuch und Irrtum, im Vertrauen auf das Engagement und die Empathie der Bürgerinnen und Bürger. Eine Lösung für das Flüchtlingsproblem wird das Land nur durch Dialog, Austausch und Miteinander finden.“

Man wünschte sich, Kurz, Seehofer, Salvini und Konsorten hätten das gelesen – und verstanden. Jenewein verwendet allerdings nicht nur Beispiele aus der Weltpolitik oder dem Spitzensport, sondern auch aus dem elterlichen Dachdeckerbetrieb. Auch in diesen Passagen gilt: Die Aussagen sind prägnant, verständlich und vor allem: überzeugend. Jeneweins Grundthese: Die meisten Chefs haben viel Ahnung vom Geschäft, können aber nicht oder nicht gut genug mit Menschen umgehen. Man lernt nun auf knapp unter 200 Seiten nicht nur, wie Mitarbeiter/innen kategorisiert werden könnten, wie man das Arbeitsklima verbessert und die Fluktuation senkt, sondern auch, mit welchen Methoden die Chefs von gestern, heute und morgen arbeiten. Und was die „VUKA“-Welt ist, das lernt man ebenfalls. Mühelos kommt der Autor vom frustrierten Personal am Berliner Flughafen über die Konkurrenzgedanken zwischen BWM und Audi bis hin zum Motivationsprogramm made by Tom Sawyer.

Das Buch ist praxisorientiert und wohl bewusst nicht „wissenschaftlich“. Das hat zwar für die Leserschaft den Vorteil, dass es flott zur Sache geht. Wer sich aber gründlicher mit der Thematik beschäftigt, vermisst dann schon die eine oder andere Fußnote, die auch zur weiteren Literatursuche positiv beitragen könnte. Auffällig etwa beim Bezug auf unternehmerische Werte, wo Jenewein durchaus auf Kotlers Marketing 3.0 Ansatz verweisen hätte können, wenn nicht sollen. Ein wenig riskant erscheint es, sich stark auf erfolgreiche Fußballtrainer als Testimonials zu verlassen – eingedenk der Schnelllebigkeit dieses Gewerbes. So gesehen bräuchten die Passagen über Joachim Löw bereits wenige Wochen nach dem Erscheinen des Buches eigentlich eine Überarbeitung. Es ist dies allerdings glücklicherweise eine seltene Ausnahme.

Aber warum sind die Chefs (und Chefinnen!) jetzt plötzlich nett? Ohne zuviel „spoilern“ zu wollen: Weil sie uns brauchen, um ihren Job nicht zu verlieren, um ihn vielleicht sogar ein wenig besser oder erfolgreicher zu machen. Was das im Detail heißt, lesen Führungskräfte in spe wie auch „einfache“ Mitarbeiter/innen am besten direkt bei Jenewein. Unkompliziert und einleuchtend. Ein „Sachbuch“, aber kein „Fachbuch“, nicht nur für ExpertInnen empfohlen.

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