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Musik

Tonträger des Monats / Ö

Ratrock Tot Sint Jans: “The Universe”. Coloured Vinyl limited edition. Pumpkin Records 2017

Man kann ihn durchaus als Stammgast auf unserem Blog betrachten, denn so eigenwillig der Grazer Ratrock Tot Sint Jans sein mag, so fleißig ist er auch. Das vierte Album ist unter anderem geprägt von einem alten Korg-Synthie-Monster aus den Beständen von Spring and the Land. Und vor allem von einer Reihe veritabler Überraschungen.

Jeder Song kommt aus einer anderen Ecke, am Ende wird aber doch eine kuschelig-grummelige Vierzimmer-WG draus. Neben Spring-Schlagzeuger Marino Acapulco hat sich Herr Ratrock auch Paul Pfleger von Polkov, David Künstner und Klaus Wohlgemuth (Fragments of an Empire) zur Unterstützung geholt.

Die Platte taucht tief in die Historie ein, manchmal schaut man verwundert nach, ob vielleicht jemand gerade eine alte Blues-Scheibe aufgelegt hat. Das alles kommt mit einer der großartigsten Stimmen daher, die die österreichische Indie-Landschaft zu bieten hat. Sagen wir es, wie es ist: Dieses Universum ist nicht massenkompatibel, aber verdammt super. Schenk dir das selbst zu Weihnachten, Leser/in, es gibt angeblich “nur” 10.000 Stück davon.


Fuckhead: “Dislocation”, CD/LP/digital. Noise Records. VÖ: 15. 12. 2017

Die vier heimischen Hohepriester des Lärms sind wieder da – aber waren sie wirklich jemals weg? Demnächst werden es 30 Jahre, in denen Didi Bruckmayr mit seiner wilden Horde die düsteren Locations der Republik bespielt. Wir erinnern uns da noch sehr lebhaft an einen alufolienverzierten Nacktauftritt im Flex im Jahr 1996. Aber jetzt schreiben wir 2017 und braucht man da eine neue Fuckhead-Platte? JA! 

Wer die 5 Minuten der ersten Nummer “Dislocation” überstanden hat, darf sich freuen. Die Platte ist nämlich keineswegs nur aktionistische Raserei, sondern auch ein wohltuender Tritt in den Allerwertesten der allgegenwärtigen Klangtapetenfabrikanten. Irgendwo zwischen abgedrehtem Synthie-Pop, Schweinerock und Steinzeit-Techno bringen Fuckhead ihre absurde Welt zum Leuchten. Das wird auch  keine Massenveranstaltung, aber vielleicht finden das sogar die einen oder andern Jungen aus der Grunge-, Metall- und Grind-Ecke originell. Zu überprüfen am 11. Dezember in der Grellen Forelle in Wien und am 15. Dezember in der Stadtwerkstatt Linz. Ohrenstöpsel mitnehmen und bequemes Schuhwerk, die Dislocation lädt nämlich durchaus auch zu skurrilem Herumgehüpfe ein. Anspieltipp: Das sehr supere “Proximity”. Spezialtipp: Das Plattencover kommt mit Augmented Reality Effekt. Die entsprechende APP dazu gibt es ab 11. 12. in den Stores bei Google und Apple. 

The Weight: The Weight. CD/LP/digital. Heavy Rhythm & Roll Records 2017

Was ist denn jetzt los? 70er Rock? Ja und das aus Wien. Das Debutalbum der vier (eh klar) Herrschaften vereint Psychedelisches mit Gitarrensoli, dass es einem die Jeansjacke bis über die Ohren zieht. Das ist so unglaublich schlüssiger Retro, das man die Platte einfach gern haben muss. Und eines muss man auch sagen: die Jungs haben internationales Format, wie man es in Mitteleuropa nicht allzu oft erlebt.

Wer skandinavische Bands im Retourgang mag, der wird auch damit seine helle Freude haben. Endlich wieder die Gitarren kreischen lassen, den kehlkopflastigen Obertongesang angestimmt und: Let’s Rock! Zur Zeit touren The Weight durch good ole Germany und die beschauliche Schweiz, bis auf ein Date in Vorarlberg am 29. 12. werden die Ösis sich ein wenig gedulden müssen…Tourdates von The Weight auf FB

Törleß: “Pan Pan Pan” CD. Pumpkin Records 2017

“Der Zögling Törleß” war eines der schaurigeren Kapitel im Deutschunterricht unserer Jugend. Wer sich nach diesem Roman benennt, ist wohl auch kein Kind sinnentleerter Fröhlichkeit. Die vier Törlesse aus Wien vermischen Texte, die zweifellos literarische Qualitäten besitzen, mit einem Sound, den man ansatzweise auch bei Blumfeld und vor allem bei Element of Crime zu hören bekommt. Eine Dosis des großen Kid Kopphausen hat das Quartett vielleicht auch schon mal genossen.

Das Debut ist jedenfalls zugleich federleicht und doch tonnenschwer melancholisch-lakonisch. “Hallstatt”, der Song klingt wirklich nicht nach Erstling, so mutig wird hier dahin gesungen und geschrammelt. “Rebecca Nov” führt uns einmal nach Tel Aviv und dann wieder in die Krieau, ehe uns am Ende Schönbrunn einholt.

Unerwiderte Liebe und wenig erfreuliches Wetter, das geht bei Törleß mehrmals sehr gut zusammen. Und auch wenn manches noch ein wenig hakt, sich sperrt, sich genau einmal zu viel im Kreis dreht: Wir sind froh, dass die Platte den Weg zu uns gefunden hat. Weil: Eine der spannendsten Neuerscheinungen dieses Landes in der bald abgelaufenen Saison.

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