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Buch des Monats

Kurzgeschichten des Monats November

Simon Guerel: „Der Kauz“, TEXT/RAHMEN Verlag 2017

„Pain Love“
„Love Weed“
„Don´t Cry“
„Auf der grünen Fassade des ehemaligen Militärverwaltungsgebäudes waren in der Nacht sechs Wörter aufgetaucht. Sie wurden mit grellgelber Farbe über einen der rosaroten Kalmare gesprüht und ihr Autor war in Eile gewesen, während er schrieb, denn die Buchstaben zeigten sich verwackelt und schief. Katja war in Betrachtung des Gedichts vertieft und hing dem Echo nach, das die drei Zeilen in ihrem Kopf hinterließen, als Mirko sie mit den Worten: „Ich mag den Tod“ aus ihren Überlegungen riss. „Die Vorstellung tot zu sein, finde ich schön“. 

Simon Guerel reiht in einer ihrer Kurzgeschichten mit dem Titel „Rosarote Kalmare“ eine Fülle an Begegnungen zwischen Vagabunden, Getriebenen und Gestrandeten aneinander und spinnt ihre Erzählungen in weiteren sechs kurzen Geschichten weiter, die zusammen „Der Kauz“ ergeben. Man kann sich leicht in den vielen Schauplätzen dieses Werks verlieren und mit den vielfältigen menschlichen Daseinsformen verschmelzen.   

Die österreichische Autorin Simon Guerel schreibt am liebsten im Stehen Geschichten, die erzählt werden müssen, ambivalente Kurzgeschichten, die die Momente nutzen und sich unaufgeregt in eine verführerische sprachliche Schönheit legen. Die eingefangenen Stimmungen, die erzeugte Atmosphäre und das transportierte (Urlaubs- und Aussteiger-)„Feeling“ sind wichtiger als aufdringliche Textkonstruktionen. Diese Fähigkeit hat Guerel stärker im kleinen Finger als manche Autoren in ihrem ganzen Körper. 
Wenn auch „Der Kauz“ im einleitenden Opener „Fischfrau“ noch teilweise artifiziell wirkt, so entwickeln sich die Kurzgeschichten im weiteren Verlauf zu reichhaltigen Erzählungen und überraschen mit vielfältigen Schauplätzen. Auch interessante Persönlichkeiten begegnen dem Leser. „Die Malerin“ bohrt sich eingängig in das Gedächtnis der Leserschaft, nimmt sie mit nach Chile und spielt mit den zwischenmenschlichen Beziehungen der Charaktere. Mit „Lamina“ und „Das Paradies“ lässt Guerel die Leser mit einem bitteren Nachgeschmack zurück, bevor sie in „Rosarote Kalmare“ alles auf den essenziellen Punkt bringt. 

Jede Geschichte ist in Inhalt und Personal unabhängig von den anderen; doch alle vereinen die Themen „Fernweh“ und „Beziehung“, lösen Folgegedanken beim Leser aus und bleiben dabei zugleich schnörkellos und berührend. „Der Kauz“ ist kein Roadmovie oder Reiseroman – eher eine Sammlung von Beziehungsgeschichten. Wenn wir doch etwas bemängeln wollen, dann die Tatsache, dass die Geschichten und die Ausführungen ruhig etwas länger sein dürften. Kann ja noch werden.
Text und Foto: aL

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