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Drama des Monats: Endzeit Europa

Samstag abend. Real spielt gegen Juve im gigantomanischen Endspiel der Champions League 2017. Das theater quadrat freut sich trotzdem über eine ausverkaufte Aufführung in der Kanonenbastei hoch droben über der Stadt. 

Das Team rund um Britta Wedam, Werner Halbedl, Katrin Ebner und Alexander Kropsch feiert an diesem Tag ebenfalls ein Finale. Die Produktion “Endzeit Europa” war von 20. Mai bis 3. Juni zu sehen – und bei keiner der Vorstellungen blieb auch nur ein Platz frei. Das hat nicht nur damit zu tun, dass maximal 16 Personen auf eine kleine Tour durch die Bastei und die Geschichte des 1. Weltkriegs mit konnten. Sondern auch damit, dass diese Abende eine veritable Theatersensation darstellten.

Nach einem Konzept von Britta Wedam tragen mit Kropsch, Ebner und Halbedl drei gestandene Schauspieler Texte vor, die das Leiden und Sterben, die Einsamkeit und das Grauen in den Schützengräben, aber auch das Leben voller Verzweiflung in der Heimat thematisieren. Nicht weniger beachtlich ist die Leistung der Laiendarsteller Erich Ahn, Marie Delorme, Lukas Deutsch, Nicolas Galani, Philipp Heilmann, Iris Kapeller, Jasmin Karami, Ulla Kurikka, Julia Reichart und Kyra Sendler.

Der Abend beginnt mit einem Text von Stefan Zweig, der die Zeit vor dem Kriegsausbruch beinahe idyllisch beschreibt, dann folgt man in Form eines Stationentheaters Werner Halbedl in immer neue Räume, in denen einen zutiefst berührende Geschichten – entstanden nach Texten aus der Kriegszeit – erwarten. Die Schauspieler agieren in kleinen separaten Räumen unmittelbar vor oder neben den Zuschauern. Dadurch entsteht eine Intensität, die manche im Publikum dazu bringt, Tränen zu vergießen. Die Absurdität der wechselseitigen Kriegserklärungen, das brutale Schlachten, der Zerfall eines Kontinents in rivalisierende Nationen, all das sollte man eigentlich dringend heutigen Politikern vor den Latz knallen. Damit ist weniger ein amerikanischer Präsident gemeint, der das alles ohnehin nicht verstehen würde, sondern eher der eine oder andere vorlaute Jungpolitiker, der bei seinem Weg nach oben nicht nur sprichwörtlich über Leichen geht.

Wenn Alexander Kropsch den Soldaten sprechen lässt, der gesehen hat, wie ein Kamerad elendiglich zugrunde geht oder Katrin Ebner vor Trauer um den Mann, der in den Krieg zog, offenbar den Verstand verliert, dann lässt das niemanden kalt. Der Ort trägt das seine dazu bei. Die Kanonen auf der Bastei, die auf das abendliche Graz gerichtet sind, erinnern daran, welche blutige Zeiten diese Stadt überstanden hat. Es wäre aus unserer Sicht ein schönes Zeichen, wenn sich die heimische Kulturpolitik dazu durchringen könnte, dieses Stück auf längere Zeit abzusichern. Bei der jetzigen Konstellation im Rathaus ist damit aber wohl nicht zu rechnen. So bleibt nur die Gratulation an die Akteure für einen unvergesslichen Theaterabend.

Endzeit Europa.
Inszenierung: W. Halbedl/ A. Kropsch
Konzept: Britta Wedam
Dramaturgie: Wedam, Halbedl
Technik: Peter Spall
www.theater-quadrat.at

Fotos: Ivo Velchev

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