Kategorien
Diverses

Liebesgeschichte des Monats März

„Das Leben ist gut“ von Alex Capus (Hanser Verlag 2016)

„Du solltest dich wieder mal an deinen Schreibtisch setzen und etwas schreiben.“
„Das hast du gestern schon gesagt.“
„Es würde dir guttun.“
„Nein, das würde mir nicht guttun. Ich würde mich schämen.“
„Dann musst du weiterschreiben, bis du dich nicht mehr schämst.“
„Ich kann nicht“,
sage ich. „Ich kann die Schlichtheit des Belanglosen nicht mehr von der Einfachheit des Schönen unterscheiden. Verstehst du?“
Die Hauptfigur in Alex Capus’ aktuellem Roman ist ein Barkeeper und Dichter namens Max aus einem kleinen Ort in der Schweiz. Moment! Bar? Dichter? Schweiz? Es scheint auf den ersten Blick ein Werk irgendwo zwischen autobiographischer Wahrheit und Dichtung zu sein. Denn auch A. Capus betreibt neben seiner hauptberuflichen Schriftstellertätigkeit eine kleine Kneipe im schweizerischen Ort Olten. Genauer betrachtet ist „Das Leben ist gut“ allerdings ein pointenreicher Text zwischen Banalem und verborgenem Glanz und zugleich ein Lobgesang auf den Fortbestand sogenannter „Tschecherl“. Es ist ein stilvolles Werk über das Entstehen und über das Erzählen. Eine wohltuende Liebeserklärung an das Leben – durch und durch.

„Das Leben ist gut“ ist ein Buch wie ein Freund, mit dem man in seiner Lieblingskneipe sitzt, trinkt und über das Leben philosophiert. Geschichten zwischen Alltag und Tratsch – facettenreich und gefühlvoll formuliert – ohne große Aufregung verbreiten zu wollen. Die magisch entschleunigte Ausstrahlung des Erzählstils vermeidet Übermut, unnötige Dramatik und plötzliche Überraschungen.

In 238 Seiten lädt uns der Autor diesmal auf einen Besuch in die Bar „Sevilla“ ein, wo die Leserschaft skurrile Stammgäste wie Toni und Tom, Ferdinand mit dem halben Tattoo oder den Spanier Miguel mit seinem ausgestopften Stierkopf kennenlernt. Irgendwo zwischen täglicher Routine und Liebesfernweh folgen die Leser den einmaligen Telefongesprächen zwischen Dichter Max und seiner Ehefrau Tina, die gerade beruflich in Paris verweilt. Max, der seine Bar und heimatliche Umgebung schätzt, kümmert sich „vertraut und doch scheu“ um seine drei Söhne, bedient skurrile Gäste und philosophiert mit Humor, Direktheit und Fantasie über das Leben. Die Zubereitung eines korrekten „Carajillo“ Cocktails für Miguel, die Atmosphäre und das Mimikspiel sind sicherlich als besonderer Höhepunkt hervorzuheben. Herrlich.

Spätestens seit „Léon und Louise“ (2011), „Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer“(2013) oder „Reisen im Licht der Sterne“ (2005 bzw. 2015) steht Alex Capus für perfekt recherchierte (Liebes)-Geschichten, die das Herz berühren. Im Gegensatz zu seinen bisherigen Love Stories steht hier nicht die Suche nach oder der Verlust der Liebe im Mittelpunkt. Diesmal beschäftigt sich der Autor mit der Bewahrung und Vitalität einer bestehenden Liebe.

Mögen dem Buch so einerseits die aufregenden Höhepunkte fehlen, für die Capus sonst immer gut ist, entpuppt sich diese Geschichte andererseits nicht nur qualitativ als konsistent, sondern auch permanent auf souveränem Niveau. Er ist ein großer Erzähler seines Genres, der die Leser in seine Liebesstories hineinzieht, die ganz dunkel, dreckig und böse, aber auch wunderschön, intim und zerbrechlich sein können – mit vielen Einzelhandlungen und abwechslungsreichen Anekdoten, die ihresgleichen suchen.

Sein Stil und seine Liebe zum Detail erinnern mich immer wieder an den wunderbaren Robert Seethaler („Ein ganzes Leben“, „Der Trafikant“).Nur wenigen gelingt das Kunstwerk, ein vielschichtiges Buch über eine schlichte Geschichte zu schreiben. Alex Capus ist einer davon. Als möglichen Soundtrack zum Buch empfehlen wir frühe Aufnahmen von Tom Waits oder Klavierinterpretationen von Jamie Cullum.
Text und Foto: Haubentaucher Gastkritiker aL

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert