Der insgesamt dritte Abend des Festivals, das in einem früheren Leben Eggenberger Schloßkonzerte hieß, brachte musikalische Höchstleistungen und viel Abwechslung in den Planetensaal. Am Beginn überzeugte das junge Equalis Quartett mit Stücken von Beethoven. Die vier Studierenden aus Ungarn und Polen konnten heuer einen Wettbewerb an der Kunstuni Graz für sich entscheiden und in den allermeisten Passagen des “Zweiten Rasumowsky Quartetts” zeigten sie sich ebenso reif wie temperamentvoll und hochkonzentriert.
Der israelische Pianist Boris Giltburg sorgte in der Folge mit seiner Interpretation von Rachmaninows Etudes tableaux op. 39 für Begeisterungsstürme. In Flann O’Briens Roman Der dritte Polizist wird die These aufgestellt, dass ein Mann, der lange genug Fahrrad fährt, im Laufe der Zeit dessen Wesen übernimmt – und umgekehrt. In diesem Sinne ist Boris Giltburg trotz seiner Jugend bereits zu weit mehr als 50 Prozent Klavier. Es ist faszinierend zu sehen, wie sehr er mit seinem Instrument verschmilzt. Da geht es nicht mehr um perfekte Technik, sondern um das Leben in und mit der Musik. Standing Ovations waren die logische Folge.
Nach der Pause änderte sich die Tonalität erneut. Das vielschichte Quintett op. 18 von Mieczyslaw Weinberg wurde von der polnischen Pianistin Katarzyna Wasiak und von einem Streichquartett, das in Graz bereits bestens bekannt ist, dargeboten. Benjamin Schmid an der Violine, wie immer beeindruckend in seiner Souveränität, seinem Gefühl, wurde kongenial begleitet von Yevgeny Chepovetsky (Violine), Thomas Selditz (Viola) und Clemens Hagen (Violonchello). Die phasenweise äußerst herausfordernde Koordination zwischen den Streichern und dem Piano gelang bestens. Kein Wunder, dass nach dem Konzert einer aus dem Quartett zur Pianistin meinte: “Sehr gut hast du das gemacht!”
Für gut die Hälfte der Besucher war damit der Abend beendet. Die anderen bewiesen Durchhaltevermögen und besuchten danach noch die Aufführung des russischen Stummfilms “Der Mann mit der Kamera” aus dem Jahr 1929. Der Streifen von Dziga Vertov gilt als einer der besten Dokumentarfilme aller Zeiten und zeigt in der Tat Erstaunliches. Im Zentrum steht der Alltag in der Großstadt, doch in unzähligen Nebenschauplätzen zeigt Vertov von der Geburt über das Begräbnis viele Facetten des menschlichen Lebens. Vor allem überrascht angesichts der bis heute in vielen Ländern verbreiteten Prüderie die immer wieder zu sehende Nacktheit. Der Film, der ohne Zwischentitel auskommt, wurde im Planetensaal von Andreas Woyke musikalisch begleitet. Und zwar nicht nach fixen Vorgaben, sondern als machtvolle Improvisation. Was Woyke an diesem Abend alles aus dem Fazioli holte, war faszinierend. Man merkte es dem Pianisten beim Schlussapplaus an, dass dieser Auftritt auch körperlich ungemein fordernd war. Großer Applaus für einen langen Abend, der Lust macht auf mehr. Den heutigen Abschiedstag von ARSONORE im Schloss Eggenberg kann man ruhigen Gewissens empfehlen. Das Programm findet sich hier: www.arsonore.at
Foto: Boris Giltburg, ARSONORE – Internationales Musikfest Schloss Eggenberg Graz © Martin Hauer | Schloss & Park Eggenberg/Universalmuseum Joanneum Gmbh
PS: Den Film kann man sich in voller Länge in mittelprächtiger Qualität auch auf Youtube ansehen. Hier ein Trailer mit knapp 2 Minuten Länge: