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Musik

Tonträger des Monats Mai

P. J. Harvey: The Hope Six Demolition Project, LP/CD Island Records 2016

Die wunderbare Polly Jean beehrt im Juli Wien mit einem Auftritt und den Rest der Welt schon jetzt mit einer neuen Platte, die ungewohnt friedlich und optimistisch beginnt. Aber keine Sorge, in Gefühlsduselei versinkt die Britin niemals. Vielmehr reibt sie sich seit etlichen Jahren an der Politik, was insbesondere in ihrem Heimatland manchem Machthaber wenig gefällt. Sei’s drum. P. J. hat sich diesmal wieder mit ihrem kongenialen Mitstreiter John Parish und mit Leuten wie Linton Kwesi Johnson und Flood umgeben, um 11 neue Songs zu veröffentlichen, die subtiler daherkommen als auf den letzten Alben. Eine Platte, die man daher “leichter” hört als die Vorgängerwerke, die ihre Substanz aber spätestens beim genaueren Hinhören (oder beim Lesen der Texte) offenbart. Da geht es etwa um das Verteidigungsministerium, das nichts als Zerstörung hinterlässt. Oder den River Anacostia, der vergiftetes Wasser durch Washington DC transportiert. Die Platte wurde inspiriert von mehreren Reisen der Musikerin durch so genannte Krisenregionen und Machtzentren wie die US-Hauptstadt. Ein Werk, das nicht nur Langzeit-Fans anschaffen sollten. Hinweis für Vinyl-Freaks: Die LP enthält zwar ein schönes Poster, aber keinen digitalen Download (zumindest haben wir keinen gefunden).

Lambda: Im Schatten, pumpkin records 2016

“Noisy Postpunk from Gradec” nennt die Band Lambda ihren geräuschvollen Stil, der freilich durchaus seine melodiösen Züge hat. Gesungen wird ausschließlich auf deutsch (wenn überhaupt!), auf dem Vorgängeralbum “Im Falschen” war da auch noch ein bisschen Englisch dabei. Konzertiert wird recht unregelmäßig. Am 15. Mai ist es wieder so weit: Im Grazer Sub präsentieren Georg „Tschem“ Teschinegg, Philipp Richard Pauger, Matti Kruse und Martin M. Winter ihren zweiten Longplayer. “Im Schatten” vereint acht Songs, die zwischen Melancholie, Panik und dem einen oder anderen rockistischen Wutausbruch oszillieren. Leute, die Bands wie The Melvins gut fanden, sollten Lamba ihr Gehör leihen.

Erin Costelo: “Down below, the status quo” / Seayou Records / Rough trade / April 2016

Wäre interessant zu wissen, was Polly Jean Harvey von ihrer kanadischen Kollegin Erin Costelo hält. Sie setzt auf Soul und wüsste man es nicht besser, würde man vermuten, eine reife afroamerikanische Sängerin zu hören. Der thematische Schwerpunkt liegt nicht auf den großen politischen Katastrophen, sondern den kleinen privaten Schwierigkeiten, den Krisen, die wohl jeder von uns kennt. Dazu gibt es klassische Instrumentierung mit Bläsern, ein bisschen Percussion und vor allem einer grandiosen Stimme, die auch in der großen Soul-Ära aufgefallen wäre. Sehr classy, sehr schön. Demnächst auf Tour durch Österreich: am 5. Mai im Linzer Posthof, am 6. Mai im Sublime in Aflenz und am 7. Mai im WUK in Wien. Und in Graz? Leider nicht…

Der Nino aus Wien: Adria. Problembär Records 2016

Der hier schon des Öfteren behandelte Nino behauptet, die Texte zu dieser Platte an verschiedenen Orten an der Adria erdacht zu haben. Und zwar im Winter wie im Sommer. Es ist dies seine erste EP, was durchaus verwundert angesichts der vielen Veröffentlichungen in den vergangenen Jahren. Mitgeholfen haben unter anderem der schräg-geniale Sir Tralala an der Geige und mit Stimme, Ernst Molden an der Gitare und Paul Gallister aus dem Wanda-Umfeld an einem halben Dutzend Instrumenten (von der Orgel bis zum Tamburin). Gallister hat das Werk auch produziert. Wer jetzt mit hemmungslosen Schnulzen und Kalauern rechnet, täuscht sich glücklicherweise. Die Songs sind eher in Moll gestimmt. Und der Nino, den man mittlerweile auch als Austro-Popper des frühen 21. Jahrhunderts sehen kann, zeigt seine nachdenklichen Seiten. Und es geht auch nicht wirklich um Caorle und Bibione, sondern doch um den Prater, um Nachtlokale und wohl auch des Ninos Biographie. Apropos Adria: Wer den sehr lässigen Fuzzman, die überstrapazierten Wanda und den Nino auf hoher See erleben will, ist hier richtig: bussi-kreuzfahrt

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