Fabian Burstein: “Eroberung des Elfenbeinturms. Streitschrift für eine bessere Kultur”, Edition Atelier Wien 2022
Fabian Burstein ist Autor, publiziert gescheite Sachen, war auch schon mal Magazinmacher und ist seit Jahren als Kulturmanager vorwiegend in Deutschland aktiv. Sein aktueller Job klingt blumig: Er ist Leiter des Kultur- und Veranstaltungsprogramms der Deutschen Bundesgartenschau 2023.
Seine Streitschrift beginnt naheliegenderweise mit der Frage, was denn überhaupt Kultur sei. Eh alles, sagt die UNESCO, aber damit gibt sich ein kritischer Geist wie Burstein natürlich nicht zufrieden. Ohne selbst eine kurze Definition liefern zu können oder dies zu wollen, dreht sich die Frage durch das gesamte Buch. Denn nur wer weiß, was Kultur sein soll, kann auch behaupten, was eine “bessere” Kultur sein sollte.
Auf dem Weg zu einer Antwort nimmt Fabian Burstein keinerlei Abkürzungen – im Gegenteil: Er mäandert sich immer wohl durchdacht und gut formuliert durch Kapitel wie “Österreichische Kulturskandale der letzten 10 Jahre” oder “die toxische Networking-Kultur der Alt-98er”. Sie merken schon: Hier geht es ans Eingemachte. Die dominierenden Figuren der Kunst- und Kulturszene werden demontiert, ihre fragwürdigen Praktiken kritisiert. Doch auch bei den Kulturschaffenden selbst setzt Burstein an. Er fordert eine neue Generation, die sich dem alten Dogma “Kunst muss gar nichts” widersetzt. Kunst und Kultur müssen nach Burstein sogar ziemlich viel, um “besser” zu werden. Sie müssen etwa sehr wohl wieder politisch sein, der Autor spricht sogar von Ideologie. Sie müssen kritisch sein und so beispielsweise Aussagen wie “Mit Kultur gewinnt man keine Wahl” massiv in Zweifel ziehen.
Ein Reibebaum sondergleichen ist für den Autor das Netzwerk rund um Kunst und Kultur, im Speziellen in Wien. Immer wieder kommen dieselben Leute zum Zug. Wer kennt das nicht? Die erstaunlichen Karrierewege zwischen Politik und Kultur nennt Burstein ebenfalls sehr direkt bei den jeweiligen Namen. Und er spart die persönliche Ebene mit Enttäuschung und Desillusionierung nicht aus, was bei einer Streitschrift erlaubt sein muss. Hier erweist sich der eigene Erfahrungsschatz in Kombination mit den Blick von außen, den der Autor mittlerweile für sich in Anspruch nehmen kann, als Vorteil.
Und so endet das Buch auch nicht mit vagen Erklärungen wie dies doch viele Polemiken tun, sondern mit “23 Denkanstößen für einen reformierten Kulturbetrieb”. Es ist ein nachvollziehbares Plädoyer, das wir allen Künstler*innen und Kulturschaffenden hierzulande empfehlen möchten. Noch mehr allerdings der heimischen Kulturpolitik. Auch wenn wir wissen, dass sie leider keine Zeit hat zum Lesen. Denn schon wartet die nächste Vernissage auf die Eröffnung…