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Gesichtsbuch des Monats

Luzia Braun und Ursula März: „Sich sehen. Gespräche über das Gesicht“, Galiani Berlin 2022

Zwei Frauen, Journalistinnen Mitte 60, kommen beim Mittagessen auf ein interessantes Gesprächsthema: Das menschliche Gesicht. Viele von uns beurteilen andere erst einmal nach dem Eindruck, den die Visage des Gegenübers auf uns macht. Zugleich sind viele von uns alles andere als glücklich mit dem eigenen Spiegelbild. Die „Schönheitsoperationen“ sind stetig im Steigen, bei allen Geschlechtern und wohl auch bei fast allen Altersgruppen und Nationalitäten. Um sich dem Thema auf unterhaltsame, vor allem aber auch philosophische Art zu nähern, trafen Braun und März eine Reihe von Gesprächsparnter*innen und hielten ihnen erst einmal einen Spiegel vors Gesicht.

Beginnend mit dem klugen, manchmal sehr provokanten Denker Peter Sloterdijk, der uns erste Einsichten vermittelt („Irgendjemand musste es ja geben, der so aussieht“), entwickelt das Buch eine Vielzahl an Perspektiven. Interessant etwa die Haltung des Unfallsopfers Johannes Groschupf, dessen Gesicht sich auf dramatische Weise änderte. Spannend aber auch, was so unterschiedliche Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Robert Seethaler, die Schauspielerin Adriana Altaras, die Soldatin Anastasia Biefang oder der Ex-Boxer Axel Schulz über das Gesicht zu sagen haben. Im Zeitalter der Selfies und der „sozialen Medien“, deren hierzulande größtes übersetzt „Gesichtsbuch“ heißt, aber auch der Verhüllung mit Masken, ist dieses Buch trotz des manchmal etwas betulichen Tonfalls ein wunderbarer diskursiver Denkanstoß.

 

 

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