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Buch des Monats Romane

Roman des Monats August

Bernhard Moshammer: “Der mitteleuropäische Reiningskult”, Milena 2020

Entwarnung: Das hier ist kein Corona-Buch. Der Wiener Autor Moshammer, der bei Milena schon zahlreiche Romane veröffentlicht hat, zeigt uns allerdings eine Welt, die viel Gegenwärtiges in sich trägt. Stichworte: Rechtspopulismus, AfD, Reichsbürger, Verschwörungsspezialisten.

Der Journalist Wagenbach gerät in eine Lebens- und Schaffenskrise und beschließt, einen mehr als seltsamen Menschen zu treffen – und anschließend ein Buch über ihn zu schreiben. Julius Aschmann, Gründer einer Art Sekte namens “Der mitteleuropäische Reiningungskult”, kurz MRK. Nein, es geht nicht um das richtige Händewaschen in Pandemie-Zeiten. Es geht um ein Manifest, das der eine als “feurig” beschreibt, die andere aber als einfallslos und dumm. Aschmann will Österreich retten, insbesondere die mittlere Schicht, die er für bedroht hält. Die Kranken, die Bedürftigen, die Bettler und die Flüchtlinge, die bekommen viel zu viel Aufmerksamkeit. Der brave, ganz normale und eifrige Bürger hingegen? Der wird übergangen.

Kommt das irgendwem bekannt vor?  Der immer mehr auf Aschmann fixierte Journalist Wagenbach trinkt zu viel, sinniert zu viel und beginnt an der Sinnhaftigkeit seiner Suche nach dem seltsamen Ösi-Guru zu zweifeln. Und dann trifft er ihn. Und zwar ausgerechnet in Brighton. Hier setzt der zweite Teil ein, der uns zunächst in die abgedrehte Welt des Julius Aschmann führt. Durch ein mystisches Erlebnis wird er nicht nur seine Migräne los, sondern fühlt sich plötzlich auserwählt. Er beginnt Uniform zu tragen und schafft es, ein paar hundert Jünger um sich zu scharen. Als es aber zum Zusammentreffen kommt, wirkt Aschmann nicht mehr wie ein überzeugter Führer, sondern voller Selbstzweifel. Kein Wunder, das Publikum ist ausgeblieben. Keine Fans in Sicht.

Fast ebenso seltsam und voller Irrungen und Wirrungen wie die Geschichte ist auch das Buch. Es wechselt die Perspektiven, die Tonalität, es bringt Zitate aus der Popkultur und krude Thesen. Dabei ist es aber auf eine ganz eigene Art spannend. Man kommt von den gescheiterten Männerfiguren nicht los. Und sehnt sich doch nach einem finalen Showdown.

Kein Mainstream-Buch. Auch keine leichte Lektüre. Wahrscheinlich nichts, das einen weiterbringt im Leben. Aber doch ein Roman, der es wert ist, gelesen zu werden. Gerade in Österreich. Gerade 2020.

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