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Musik

Tonträger des Monats März / Ö

PAULS JETS: “Alle Songs bisher”, Lotterlabel VÖ 22. 3. 2019

Das nennen wir ein erfrischendes Alternativ-Programm: Pauls Jets wurden zuletzt von FM4 schon ganz schön gehypt und machen deutschsprachigen Pop mit Punk- und DIY-Attitüde. Dass Amazon das Trio unter “Musik aus Deutschland” einordnet, zeigt nur, dass die Roboter und Algorithmen halt doch noch nicht so schlau sind, wie sich das IT-Nerds gerne erträumen.

Denn: viel Wienerischer kann man eigentlich schwer sein, auch wenn eine Nummer leider das blöde “Tschüs” enthält, aber das ist hoffentlich ironisch gemeint. Klar: Pauls Jets haben auch mitbekommen, dass Bilderbuch und Co. gerade im benachbarten Ausland gutes Geld verdienen, aber soweit sind wir noch nicht. Wer jedenfalls in diesem frischen Alter mit 15 solchen Party-Krachern auf der Debut-LP aufläuft, kann kein schlechter Mensch sein – und erst recht keine schlechte Band. Wenn bisher irgendjemand da draußen noch nicht der Wahnsinnsnummer “22703” verfallen ist, sollte er oder sie sich rasch die Platte kaufen, runterladen, was auch immer. Aber halt wirklich erst ab dem 22. März, so viel Geduld müsst ihr leider noch aufbringen, ihr Leser und – innen.

Live gibt es den Spaß am 21. 4. in Klagenfurt, am 24. 4. im Hamburger Pudel, am 25. 4. in Berlin, am 26. 4. in München, am 27. 4. in Dornbirn, am 16. 5. im PPC in Graz, am 17. 5. in der Stadtwerkstatt zu Linz, am 23. 5. im WUK in Wien und am 25. 5. in der Arge in Salzburg.

KONEA RA: “A-Side”, Couch Records, VÖ Februar 2019

Jeden Monat gibt es eine Band aus Ö, die mit der jeweils neuen Platte ganz locker internationales Format hinbekommt. 5K HD fällt uns da etwa ein, AT Pavillon zuletzt oder ansatzweise eben auch Konea Ra. Stephanie Zamagna und Matthias „Mangara“ Cermak  veröffentlichen ihren neuen Longplayer originellerweise in zwei Teilen, hier also erstmal “A-Side”.

Obwohl das Duo, das sich selbst als Sextett bezeichnet, schon seit 2011 aktiv ist, hat man den “Geheimtipp”-Status bislang noch nicht wirklich abgelegt. Die eine oder andere Rezension in einer reichweitenstarken Zeitung deutet aber an, dass es damit nun vorbei sein könnte.

Die sechs Songs auf A-Side haben sich auch wirklich Aufmerksamkeit verdient, die Platte lässt sich super in einem Stück anhören. Wenn man etwas kritisieren möchte, dann genau das: Die A-Seite flutscht in die Gehörgänge, hinterlässt aber wenig Nachhall. Die Produktion ist lupenrein, weniger Wohlmeinende könnten auch “steril” dazu sagen. Nicht falsch verstehen: Das ist eine feine Sache. Die B-Seite darf aber gern noch einen Hauch eigenständiger und eigenwilliger werden.

RUSSKAJA: “No one is illegal”, Starwatch Music VÖ 29. 3. 2019

Die Band gibt es seit 2005, seit 2007 ist sie eng mit der Grisse- und Sterman-Show verbunden. Die selbst deklarierte Turbo-Ska-Rock Band kann aber weit mehr als nur den Pausenclown oder die Begleitband für Show-Größen wie DJ Ötzi und Armin Thurnher (im Duett!) zu machen. Zig Millionen Youtube-Views deuten das schon an, die vielen Auftritte bei großen Festivals detto.

“No one is illegal” ist, der Name verrät es schon, ein sehr politisches und kämpferisches Album. Trotzdem geht es nicht gegen die anderen, sondern um eine gemeinsame Zukunft. Und so bekommt der linke Gassenhauer “El pueblo unido” eine rrrrrolllende Neuinterpretation, die auch dem Che in die Knochen gefahren wäre.

Die 12 Songs gehen im Übrigen dann auch deutlich über den Anspruch der gehobenen Tanzmusik hinaus. Wie man fetzige Stimmung kombiniert mit Message ohne Control, das hat zuletzt kaum jemand so auf den Punkt gebracht wie die wilden Sieben mit Homebase Wien. Am besten live anschauen, dann Leadsänger Georgij Makazaria die mächtige Pfote schütteln und eine pressfrische Platte erwerben sowie eventuell ein Shirt, die schauen nämlich auch sehr super aus. Und auf der nächsten WG-Party einfach mal “Break down the wall” auflegen und schauen, was passiert…

Live:
30. 3. Graz ppc
6. 4. Dornbirn  Conrad Sohm
9. 4. Wien WUK
10. 4.  Salzburg Rockhouse
19. 4.  Steyr Kulturhaus Röda
30. 4. Innsbruck Treibhaus

BENDER: “Remedy”, Pumpkin Records VÖ März 2019

2016 waren sie zuletzt zu Gast hier  und wir scherzten, die nächste Platte würde nach “Blender” und “Sender” wohl “Spender” heißen. Aber von wegen: “Remedy” ist da und es ist gut so. Chris Markart, Rebecca Hofer und Christoph Röber haben wieder tief in die Pop-Kiste gegriffen und zuallererst die elektronischen Instrumente gefunden.

Eilig haben es die Songs immer noch nicht und sie leiden auch nicht unter allzu heftiger Suche nach dem Zeitgeist. Statt in eine ungewisse Zukunft scheinen sich die Benders mit dieser Platte eher retour zu orientieren, irgendwohin in die mittleren 1990er vielleicht. Plätschert erst einmal dahin, bekommt dann mit den Drums aber doch den erhofften Druck. Auf “Spaceboy” gibt es sogar ein hübsches getragenes Vokal-Duo mit Harry Helm. Neueinsteigern ins Bender-Universum würden wir vor dem Kauf dieser Platte trotzdem erst einmal die EP aus dem Jahre 2013 ans Herz legen. Alle, die Bender hingegen schon kennen und mögen, werden auch mit “Remedy” ihre Freude haben.

SIMON ZÖCHBAUER feat. Koehne Quartett: “Achad”, col legno, VÖ 1. 3. 2019

Falls jemand an die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung glaubt: Das hier ist E- und nicht U-Musik. Simon Zöchbauer wird auf diesem popkulturell dominierten Portal vielleicht nicht jede/r kennen. Er ist Trompeter, Sänger, er spielt Zither und komponiert. Er ist in der Klassik ebenso zuhause wie in der traditionellen Musik und im Jazz. Improvisation ist sozusagen sein middle name. Er ist weltoffen und ein Vertreter der jungen Generation, was auch heißt, dass er über Facebook und Instagram mit seinen Fans kommuniziert.

“Achad” heißt auf hebräisch “eins”, “Einheit”. Das Koehne Quartett ist sicher eines der renommiertesten Streichquartette, wenn es um zeitgenössische Klänge geht. Als Einheit beschäftigen sich die Musikerinnen und der Komponist mit sakraler Musik und mischen sie mit elektronischen Elementen zu etwas Unerhörtem – und auch nicht ganz leicht Hörbarem.

Wenn man sich aber durch die eine oder andere Ernsthaftigkeit durchgekämpft hat, bekommt man zum Lohn großartig unterhaltende musikalische Momente, so etwa im vierten Stück “Wald und Wiegentanz”. Eine Platte, wie geschaffen für die Zeit vor Ostern, in der selbst überzeugte Atheisten sich gerne ein wenig mäßigen. Ein Album, das tiefer geht, das niemals nebenbei gehört werden will. Das Release Konzert am 6. März im Radiokulturhaus Wien haben wir jetzt gemeinsam knapp versäumt, aktuelle Termine von Simon Zöcherbauer finden sich aber auf seiner Website.

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