Peter Iwaniewicz: „Menschen, Tiere und andere Dramen. Warum wir Lämmer lieben und Asseln hassen“, Kremayr & Scheriau 2018
„Wenn einer keine Angst hat, hat er keine Fantasie“, sagte schon Erich Kästner. Vielleicht nimmt Peter Iwaniewicz gerade deswegen Ängste sehr ernst. Man könnte sogar sagen, Phobien sind seine Leidenschaft. Zu seiner Sammlung gehört die Glucodermaphobie, die Angst vor der Haut, die sich auf dem Kakao bildet, wenn er zu lange steht. Damit ist der Autor dieses Buches seit seiner Kindheit bestens vertraut, und er vermutet, dass noch viel mehr Menschen unter dieser Phobie leiden.
Aber fürchtet euch nicht, ihr Leser und Leserinnen, es geht auch durchaus spaßig zu in diesem Buch. Peter Iwaniewicz ist nämlich nicht nur promovierter Biologe, Journalist und Lehrender an der BOKU Wien, er ist auch ein bekennender Sa-Tieriker und schreibt seit 25 Jahren die Kolumne „Tier der Woche“ in der Wochenzeitung Falter.
Das knapp 190-seitige Werk ist eine humorvolle, herzerwärmende und zugleich ungeschönte Lektüre über Menschen, Tiere und Pflanzen. Das Buch beginnt mit der Entscheidung des Autors, Biologe zu werden, und weckt weiteres Interesse durch viele private Anekdoten. Es überzeugt mit Sprachwitz und scharfer Beobachtungsgabe. So erfährt man, wie sich Iwaniewicz vom Spinnenhasser zum Tierflüsterer entwickelte, und bestreitet mit ihm den schmalen Weg zwischen Faszination und Ekel. Es ist eine literarische Achterbahnfahrt der Gefühle irgendwo zwischen Angst, Freude, Wut und Zuneigung – eine wunderschöne Abhandlung über Beziehungen zwischen Mensch und Natur.
Wer sich schon immer die folgenden Fragen gestellt hat, findet in „Menschen, Tiere und andere Dramen“ endlich Antworten: „Was haben Nazis oder Aktionskünstler eigentlich mit Tieren zu tun?“, „Warum sind Schmetterlinge die Sympathieträger und Gelsen die ‚Arschgeigen’ unter den Insekten?“ oder „Wie gewinnt man den Wissenschaftspreis IG NOBEL (engl. ignobel)?“
Frei nach dem Motto „Sex sells“ werden auch intimere Fragen beantwortet: Lesen Sie über die Evolution der weiblichen Brüste, lernen Sie die fibroelastischen und kavernösen (Penis-)Typen bei Säugetieren kennen und staunen Sie über die sexuelle Orientierung von Schnecken. Ob dies die Verkaufszahlen des Buches ankurbeln wird oder die Leserschaft einfach kopfschüttelnd zurücklässt, wird sich zeigen. Apropos Kopfschütteln: Wussten Sie, dass der Reflex zum unwillkürlichen Kopfschütteln nach dem Urinieren postmikturale Zuckung genannt wird?
Der Autor nutzt gekonnt Zahlen und Fakten und setzt die journalistischen Erfahrungen, die er durch die Beantwortung zugesandter Leserbriefe gemacht hat, gezielt ein. Der eigentliche Pluspunkt des Buches: „Menschen, Tiere und andere Dramen“ erzwingt nichts; man kauft dem Schriftsteller ab, dass ihm Flora und Fauna am Herzen liegen. Es bleibt permanent stimmig – und was noch viel wichtiger ist: immer informativ und unterhaltsam.
Gerade in Zeiten von viralem Hass ein wichtiger Beitrag, um Vorurteile gegenüber dem Anderen und dem Fremden abzubauen und das Miteinander zu fördern. Es ist Zeit, Klischees aus dem Weg zu räumen, Gemeinsames zu fördern und voneinander zu lernen. Wie heißt es so schön auf den letzten Seiten: „Artenblindheit ist heilbar!“ Wir fragen laut: „Rassismus auch?“
Text und Foto: aL / Modell: Bürohund Finn
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