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Musik

Tonträger des Monats / Ö

FAREWELL DEAR GHOST: “Neon Nature”, ink music 2017

Die Band rund um Philipp Szalay hat sich für ein neues “ganzes” Album vier Jahre Zeit gelassen und in der Zwischenzeit einen beachtlichen Teil der Welt gesehen. “Neon Nature” klingt daher auch gereift und zugleich über weite Passagen noch poppiger als “We colour the night”. Verschwunden sind die netten Versuche, an so etwas wie Stadion-Rock anzuknüpfen. Nun ist Farewell ganz bei sich, Szalays Stimme ist ohnehin so markant, dass man auch dieses Album blitzschnell richtig zuordnet. Und diese Stimme, das muss man halt auch sagen, hat Weltformat – genauso wie die Texte.

Die Soundkulisse ist sowohl “Ghost” als auch “Neon” verpflichtet. Herausragend aus einem Dutzend sehr sehr guter Songs ist für uns “Bad Ideas”, eine Hammernummer. Nachdenkliche Gitarren-Elektronik mit menschlichem Antlitz. Gänsehaut. Beim Anhören dieser Platte tun sich wundervolle cineastische Welten vor dem geistigen Auge auf. Tschuldigung, prosaischer können wir an dieser Stelle wirklich nicht.

Soll heißen: Kaufen. Und live hören. Zum Beispiel demnächst am 9. 11. im Wiener WUK, am 10. 11. in der GMD in Graz, am 30. 11. in der ARGEkultur in Salzburg und am 7. 12. im Kino im Kesselhaus, Krems.

PS: Wenn man noch was Kritisches nachschießen möchte: Die Website der Band kann nullkommanix. Und der Auftritt auf der Seite des Labels ist nicht viel besser.
 
JOHNNY SILVER: “Johnny Silver is coming to town”. Vinyl EP Pumpkin Records 2017

Johannes Silberschneider ist Schauspieler, aber nicht nur. Vor fast 40 Jahren begeisterte er als Johnny Silver seine Fan-Gemeinde mit Rock’n’Roll Auftritten. Der Anzug war luftig geschnitten, zuweilen kam auch eine knackige Leoparden-Hose zum Einsatz. Lang, lang ist’s her – möchte man meinen.

Zwei ebenfalls verdiente steirische Künstler haben die Kultfigur Johnny Silver nun aber zu neuem Leben erweckt. Zum einen hat der steirische Multi-Artist und Gründer des Rockarchivs David Reumüller beschlossen, den Rocker mit einer Installation in der Neuen Galerie in Graz wieder ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen.

Und Pumpkin-Labelboss, Musiker und Autor Wolfgang Pollanz hat mit der auf 300 Stück limitierten Vinyl-Pressung von vier Silver-Songs aus den frühen 1980er Jahren eine prachtvolle Angelegenheit für Sammler und Silberschneider-Fans nachgelegt. Am allersupersten sind die jeweiligen Intros, die die obersteirische Herkunft des Mr. Silver recht deutlich unter Beweis stellen. Ansonsten schön grummeliger Rock-Sound, wie er zur damaligen Zeit angesagt war und später im Punk durchaus wiederbelebt wurde.

Signierstunden mit dem Schauspieler und Sänger gibt es am 4. 10. bei DUX Records in Graz, am 6. 10. bei SCHALLTER in der Westbahnstraße 13 in Wien sowie am 7. 10. im FreiRaum in Eisenerz.

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ASH MY LOVE: “Money”, LP/CD/digital Noise Appeal Records, VÖ 13. 10. 2017

Lustigerweise ist die neue Platte des Duos aus Wien musikalisch (und auch in Sachen Covergestaltung) gar nicht so weit weg von Mr. Silver. Blues, Rock, ein bisschen Punk, all das bringen Andreas Dauböck und Ursula Winterauer in einem tendenziell getragenenen Tempo zu Gehör.

Und so zufällig ist die Verwandtschaft mit den 70er/80er Jahren nicht: Das Album wurde bewusst und komplett mit analogen Apparaturen produziert. Nix Computer! Hätte man natürlich konsequenterweise auf Vinyl only pressen können, aber dazu sind die Marktchancen für Ash My Love doch mittlerweile zu groß.

Ein mitreißendes Stück heimischer Musik jedenfalls, das sich auch perfekt als Soundtrack machen würde. Falls Herr Jarmusch mal wieder auf der Suche wäre… Anspieltipp: Bo! – eine fetzige Hommage an den alten Herrn Diddley. Am 13. 10. im Wiener Gartenbaukino, am 14. 10. im Röda in Steyr und am 15. 10. in der Tabakfabrik in Linz.

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Gesangskapelle Hermann: “elegant”. VÖ: 29. 9. 2017

Das Video zur neuen Platte hat uns bereits restlos begeistert, nun sind endlich auch die Songs da. Das Vokal-Sextett ist bis oben hin abgefüllt mit Wiener Schmäh und bringt diesen sehr viel angenehmer und bodenständiger als etwa die omnipräsenten Austro-Superstars Wanda das jemals könnten. Die Gattung der Elektroradler bekommt da ihr Fett ebenso ab wie die “Famülie”. Hinterfotzig, hochmusikalisch, zart ironisch, immer lässig und manchmal sogar ein bisserl nostalgisch: “De Zeid, de schlofd ned”. A Wödscheibn!

Kurzum: Wer österreichische Musik der Gegenwart kennen will, muss diese Platte gehört haben. Und am besten auch die Gesangskapelle live erlebt haben.

Gelegenheiten gibt es in nächster Zeit genügend:

Freitag, 6. Oktober: Aschach/Oberösterreich (+ Hans Kumpfmüller)
Samstag, 7. Oktober: Ottnang/Oberösterreich (+ Hans Kumpfmüller)
Freitag, 13. Oktober: Mauerkirchen/Oberösterreich
Samstag, 21. Oktober: Hollabrunn/Niederösterreich
Freitag, 03. November: Balcanto/Wien
Donnerstag, 9. November: Theater am Spittelberg/Wien (+ Wiener Blond)
Freitag, 10. November: Brunnenthal/Oberösterreich (+ Wiener Blond)
Freitag, 17. November: Lembach/Oberösterreich (+ Hans Kumpfmüller)

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5K HD: “And To In A”. CD/LP/download Seayou Records, VÖ: 1. 9. 2017

Das ist so ziemlich das genaue Gegenteil der Gesangskapelle, aber es ist ebenso groß und schön. 5K HD könnte so etwas wie eine neue heimische Supergroup werden. Mira Lu Kovacs von Schmieds Puls hat sich mit Herren aus dem Umfeld von Kompost 3 verstärkt. Die weibliche Wahnsinnsstimme wird mit den Mitteln von Dub, Jazz, Elektronik bis hin zu Rock in himmlische Sphären katapultiert.

Das Ergebnis: Pop der allerersten Güteklasse, aber mit einigem herrlichen Schrägheitsfaktor. Da zieht es einem die Gänsehaut den Buckel hinauf.

Müsste eigentlich auch international gehörig für Wellen sorgen. Zumindest Deutschland peilen 5K HD auf ihrer Tour mal an. Gerade die Briten sollten aber für diesen Sound auch zu begeistern sein. Ist ja jetzt auch nicht meilenweit von Leuten wie “Everything, but the girl” entfernt, nur halt angenehmerweise ohne Retro-Bezug, sondern mit Haltbarkeit bis weit über 2018 hinaus. Pflichtplatte!


Live demnächst ganz in Eurer Nähe:

06.10.2017 Wien WUK (Tour Start)
07.10.2017 München Milla
09.10.2017 Berlin Kantine am Berghain
10.10.2017 Köln  Lichtung
11.10.2017 Hamburg Häkken
12.10.2017 Graz Orpheum
18.10.2017 Innsbruck Treibhaus
19.10.2017 Dornbirn Spielboden
25.10.2017 Wolfsberg Container 25
26.10.2017 Linz Stadtwerkstatt

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HIDE THE BLEMISH: “Out of control”, Rebeat Digital, VÖ: 6. 10. 2017

Die Grazer Band hat wechselvolle Jahre hinter sich. 2013 sah es fast nach größerem Durchbruch aus, zumindest auf lokaler Ebene und mit “Thoughts of a man” auch in den Austro-Charts. Dann passierte… erst einmal wenig. Doch statt einer Auflösung sammelten die fünf Herren rund um Bandleader Martin Emmersdorfer neue Kräfte. Gleich 15 Songs haben es auf das neue Album geschafft, das am 7. 10. im mo.xx in der Grazer Moserhofgasse präsentiert wird. Was die werte Zuhörerschaft erwartet? Vielfältiger Pop-Sound mit viel Gitarre und Piano, eingängig und mit viel Platz zwischen den Zeilen, was die Texte angeht.

Ein bisschen rauer und rockiger hätte es für unseren Geschmack dabei zugehen dürfen, speziell die Nummer “Tell me lies” ist so perfekt produziert, dass man meinen könnte, hier möchte sich jemand für die Ausscheidung zum Songcontest bewerben. Für Freunde der sanfteren Klänge aber sicher genau das Richtige.

 

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