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herbstblog 2: Das Leben in Hart bei Graz

Unweit der Grazer Stadtgrenze liegt Hart bei Graz, überregional bekannt geworden durch phänomenale kommunale Großmannsucht der früheren Bürgermeisterpartei und den nachfolgenden Erdrutschsieg einer Bürgerliste. Man muss den ehemaligen Machthabern dennoch dankbar sein, denn neben großzügigen Sportanlagen haben sie hier im “Speckgürtel” auch eine Mehrzweckhalle errichtet, man könnte allerdings auch schlicht Turnsaal dazu sagen. An selbigem Ort schlüpfen die Rabtaldirndln in die Mutterrolle und fühlen Luise (37) auf den Zahn. Ihre drei Kinder bringt sie täglich in die entsprechenden Ausbildungs- und Aufbewahrungsstätten, dann geht es mit dem Zweitauto zum Halbtagesjob in die Bank, danach zum Fußballtraining. Der Jüngste scheißt der Nachbarin auf die Türmatte. Die wiederum (oder eine andere) flirtet unübersehbar mit Luises Ehemann, jedesmal, wenn er die schwarze Restmülltonne auf die Straße stellt.

Die Familien in Hart bei Graz leben in ähnlich aussehenden Schachteln, haben adrette Vorgärten (die sich ebenfalls stark ähneln), zwei Autos stehen unter dem Carport und die Fremdwährungskredite müssen halt auch noch abgestottert werden. Das Schöne an der Auseinandersetzung der vier Dirndln mit Luise ist, dass es beinhart und direkt an den Kern der Sache geht, dennoch Verständnis durchschimmert und Sympathie. Der Witz liegt im Detail. Der Staubsauger-Roboter bringt Prosecco-Gläser, die Turnerin an den Ringen führt eine Musical-Nummer auf und mit einem Ikea-Tunnel wird ein Wurm geformt, der an der Wand lehnt. Mit Pfeil und Bogen tritt schließlich ein Dirndl auf, um die Mütter von Hart von ihren lästigen Gschrappn befreien. Den Rabtaldirndln gelingt an diesem Abend eine Gesellschaftskritik, die genau dorthin zielt (und trifft!), wo es wehtut. Nicht nur in Hart bei Graz. Große Empfehlung! Noch zu sehen am 3. 10. sowie am 9. und am 10. 10.

Foto: steirischer herbst 2015 / J. J. Kucek

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