DIE LIGA DER GEWÖHNLICHEN GENTLEMEN: „Gschichterln aus dem Park Café“, Tapete Records, VÖ 9. Juli 2021
Ja, das ist wirklich eine ausgewachsene Sommerplatte. Gastgarten in Hamburg-Altona, die Haare schön, nur Rebekka nervt ein bisschen mit ihrem Rad, das sie blöderweise im Hinterhof entdeckt hat. Aber sonst ist es „nett, nett zu sein, ohne was zu wollen“. Und so ähnlich ist die Liga in all den 12 Songs drauf. Egal, ob ihr jetzt doch wieder in den Flieger steigt und nach Griechenland düst oder lieber am heimischen Badesee abhängt, diese Scheibe solltet ihr im Gepäck haben. Denn sie verbindet guten Geschmack mit guter Erziehung.
„Ferien für immer“, wer könnte diesen Kampfruf nicht unterschreiben? Stilistisch hat die Liga ohnehin ihre eigene Spielwiese erobert und reichert ihren Indie-Schlager spaßhalber dann noch mit einem Hauch Ramones an, wenn es gerade passt. Hier noch ein Bildbeweis für die These, dass das hier die bisher eleganteste Platte des Quintetts sein könnte:
Pressefoto: DLDGG 2021 © Heiko Franz
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ESTER POLY: „WET“, Hummus Records, VÖ 20. 8. 2021
Von den fünf Gentlemen zu zwei starken Frauen, von Hamburg in die Schweiz: Ester Poly sind Martina Berther (E-Bass, Voc, Zürich) und Béatrice Graf (Schlagzeug, Voc, Genf). Sie machen Musik im Spannungsfeld von Rock, Psychedelic, Punk und NDW/ New Wave. So entspannt wie bei den Herren weiter oben geht es bei ihnen nicht zu, dafür deutlich politischer. Sie spielen oft auf Demos, Solidaritäts-Parties, kleinen und größeren Aktionen. Auch auf der neuen Platte kommen Message und Musik im gleichen Atemzug. Rassismus, Sexismus, die Leistungsgesellschaft werden in Angriff genommen. Das kommt nun allerdings nicht in der Form von kämpferischen Chansons daher, sondern im Stil der Indie-Clubs. Man darf den Protest bekanntlich auch tanzen. Und man darf Witz haben, wenn man Ungerechtigkeiten attackiert. So wird die Platte denn auch zu einem Statement UND zu einem Hörvergnügen. Wer Peaches mag, sollte sich auch „WET“ zulegen.
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SEND MEDICINE: „By Telepathy & Reputation“, Very Possible Records/Distrokid, VÖ 16.7.
Psychedelic blüht, warum auch immer, in diesem Sommer. Und die fünf ausgewachsenen Hippies aus Los Angeles machen da keine Ausnahme. Ob sie wirklich passionierte Surfer sind oder nur so tun? Immerhin wurde die Sache eigentlich in Toronto gegründet und zwar als Solo-Projekt von Julian Hacquebard. Seit fast 12 Jahren aber lebt und arbeitet die Band nun in der Stadt der Engel. Und mehr 60ies kann man eigentlich schwer sein. Aber der Witz daran ist: Die Platte ist gar nicht wirklich retro, auch wenn sie sich auf große Heroes der Vergangenheit bezieht. Und obwohl sie klingt wie aus einem feuchten Vorstadtkeller, macht sie in erster Linie großen Spaß. Wenn Du dir in diesem Sommer eine Platte kaufen willst, die Dich auf neue Wege bringt, dann nimm diese!
Foto: Bret Lemke
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AN EARLY BIRD: „Diviner“, Greywood Records, VÖ 2. 7. 2021
Zum Schluss wird es lauschiger und ruhiger hier am See der guten Musik. Auf dem Plattenteller liegt das Indie-Folk-Pop-Album „Diviner“ von AN EARLY BIRD. Und jetzt kommt die Überraschung: Das Ganze ist nicht etwa aus L.A. (siehe oben) oder aus der englischen Provinz, es ist aus dem Land des Europameisters. Bella Italia!
Stefano De Stefano (so heißt der frühe Vogel mit bürgerlichem Namen) ist in Neapel groß geworden und seit 2018 solo unterwegs. Er tourte intensiv durch Europa und trat im Gefolge von Künstlern wie Joshua Radin, Jake Bugg, S. Carey, Stu Larsen, Grant-Lee Phillips und Dan Owen auf. „Diviner“ ist ein zauberhaftes Album, das schon wieder super zu einem entspannten Sommer passt. Chillig und indie, ruhig, aber durchaus üppig. Manche Songs haben schon mehr als 15 Jahre auf dem Buckel, sagt De Stefano. Und weiter: „Wer den Ort von Wasser oder wertvollen Mineralien findet, ist ein ‚Diviner’ (Wahrsager): Dieses Album will etwas Besonderes an die Oberfläche bringen.“
Experiment gelungen, würden wir meinen und schenken euch zum Abschied noch ein Wasserliedchen. Habt einen schönen musikalischen Sommer, Ihr Haubentaucher da draußen…