WIR GÜNTHER DOMENIG. Korrekturen einer Legende. Herausgegeben von Wolfdieter Dreibholz und Michael Zinganel. Park Books in dt. und engl. 2025/2026
Wir? Günther Domenig, der berühmte und zugleich streitbare Architekt, wollte doch immer als Indivualist wahrgenommen werden, als Künstler, Professor, Innovator. Warum also „wir“? Michael Zinganel macht in seiner Einleitung auf treffende Art klar, dass Domenig ohne seine wechselnden Teams kaum diese Bedeutung erlangt hätte. Dass zuvor schon die strenge Nazi-Mutter und die ersten Kontakte mit Kollegen wie Eilfried Huth ihn lebenslang prägten. Das Buch zeigt aber nicht nur das „wir“, es geht auch auf das „ich“, die Person Domenig ein, die nun wahrlich keine einfache war. Die kritische Auseinandersetzung, die dennoch stets von Respekt für den Meister gekennzeichnet ist, tut gut. Es gab immer wieder menschliche und soziale „Kollateralschäden“ bei Domenigs Projekten, das wird hier sehr deutlich. Zugleich zeigt das Buch in Wort und Bild, wie wichtig Domenigs Rolle (und die seiner Partner und Kollegen im Büro und an der TU Graz) war. Welche spannende Architektur damals erdachte wurde und was davon auch tatsächlich gebaut wurde.

In Interviews und Kurztexten werden auch die jeweiligen Gegenüber von Domenig skizziert. Es ist KEIN bloßes Abfeiern einer Legende, es ist eine außergewöhnlich vielschichtige Aufarbeitung von Mensch und Werk. Staunen lässt einen nach wie vor, wie mutig und wie zukunftstauglich viele der Projekte waren. Gerade die, die nicht realisiert wurden, sollten von einer jungen Generation von Architektinnen und Architekten ausgiebig bestaunt und analysiert werden. Große Kunst, zuweilen ausgeführt nur im Kleinen von einem, der alles andere als einfach gestrickt war. Eine kritische Würdigung, die auch diejenigen interessieren könnte, die nicht vom Fach sind. Ein Stück Kunst- und Kulturgeschichte in eleganter und reduzierter Form. Und für ein Architekturbuch: Ausgesprochen gut zu lesen.
Buchpräsentation, Mittwoch, 10.12. um 18 Uhr an der TU Graz, Rechbauerstrasse 12 im Hörsaal 1. Hintergründe zum Projekt: tracingspaces.net/wir-domenig/
Foto: Dietmar Tanterl, 1992, Quelle: Architekten Domenig & Wallner