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Dramen, die das Leben schrieb Romane

Roman mit Fußnoten

Wolfgang Pollanz: „Ein durch und durch durchschnittliches Leben“, Klingenberg 2025

Wolfgang Pollanz, den man hier nicht mehr vorstellen muss, legt einen Roman vor, der an den Grenzen des Genres zu Hause ist. Er erzählt (s)eine Lebensgeschichte und zwar in einem Stil, den er in den vergangenen Jahren (wenn nicht Jahrzehnten) kultivierte: Dem der Autofiktion.

So führt uns die durch die Handlung mäandernde Biographie des „Ich“ über reale Eckpunkte zu offensichtlich Erfundenem. Spannend ist naturgemäß der Bereich dazwischen. Ist es wahr, dass …? – lautet die zentrale Frage, die sich gerade Leute stellen werden, die Pollanz kennen oder zu kennen glauben. Die jugendlichen Jahre im Internat samt ersten Erfahrungen mit dem eigenen Körper, die mühsame Zeit als Lehrer, literarische Arbeiten, die auf wenig Gegenliebe stoßen, amouröse Reisen – all das ergibt eher kein durchschnittliches Leben, auch wenn der Autor vielleicht gerne noch mehr Glamour in seinem bisherigen Dasein gehabt hätte. Immerhin stirbt er im Buch mehrmals auf unterschiedliche Art.

Das charakteristische Merkmal dieses Romans ist freilich nicht nur das Spiel mit Wahrheit und Schwindelei, es ist vor allem die Sache mit den deutlich über 100 Fußnoten. Das ist nun nichts, das Pollanz in der Literaturgeschichte als erster machen würde. James Joyce oder David Foster Wallace sind aber auch nicht die schlechtesten Vorbilder. Und Pollanz treibt das Stilmittel äußerst konsequent auf die Spitze. Er lässt die Lektorin und den Lektor kommentieren, die „geliebte Erstleserin“, den Verlegerin – und sogar der Autor selbst greift in diese Fußnoten-Kommunikation immer wieder ein. Vielleicht ist das einer der Punkte, warum die Lektüre nicht unbedingt „romanhaft“ wahrgenommen wird und oben von „Grenzen des Genres“ die Rede war.

Besonders schön sind die kleinen Beobachtungen, die erfunden klingen, es aber nicht sind. Die Sache mit der Casalgasse in Graz-Liebenau etwa oder die Herkunft des „Totmannschalters“. In Summe ist der Roman ein Experiment fernab jeder Durchschnittlichkeit. Ein Roman, der sich ins Gesamtwerk einfügt, dieses abrundet. Nach der Undankbarkeit der Kinder, dem Seufzen der Mutter oder den Autos des Vaters ist es nun ein kunstvoll und leidenschaftlich zusammengereimtes Autoren-, Liebes- und Lehrerleben, in das uns Pollanz bis ins Detail blicken lässt. Mehr dazu gibt es live am 11. 11. 2025 im Literaturhaus Graz. Kommen Sie zahlreich!

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