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Geschichten des Monats

Michael Köhlmeier erzählt: Liebesgeschichten.
17. Oktober, Schauspielhaus Graz

Eine Bühne. Ein Stuhl, ein Tisch, ein Glas Wasser, einige wenige Blätter Papier mit Stichworten. Und ein begnadeter Geschichtenerzähler. Das reicht für einen wundervollen Abend im Grazer Schauspielhaus.

Der Autor, Mythen-Spezialist und Storyteller Michael Köhlmeier hat für diesen Abend die Liebe in den Mittelpunkt gestellt. Was er so ganz nebenbei über Literatur, über Figurenentwicklung, über die Rezeption von Werken und das Leben der Autoren in die Erzählung einstreut, ist meisterhaft. Haben Sie etwa schon einmal darüber nachgedacht, wie unsympathisch Odysseus eigentlich war? Und wie gewagt es war von Homer, ausgerechnet diesen selbstsüchtigen und rücksichtslosen Kerl zum Helden seines Werkes zu machen? Andererseits aber: Wie groß muss die Liebe von Odysseus zu Penelope gewesen sein, wenn er ihr bei aller Untreue doch treu blieb und für diese Beziehung auf das ewige Leben verzichtete?

Köhlmeier springt in der Folge immer wieder über die Jahrhunderte hinweg und widmet sich danach Abelard und Heloise. Ein tragisches Paar, das bald zu einem Leben in Trennung gezwungen war, verbunden durch eine notgedrungen platonische Liebe. Wie sehr die beiden literarische Spuren hinterließen (auch wenn sie in unserem Kanon kaum mehr vorkommen), zeigt der geistreiche Vorarlberger Autor dann an Goethe und seinem Werther. Aber halt: Davor kommen natürlich noch die berühmtesten Liebenden der westlichen Welt, Romeo und Julia, an die Reihe.

Hier bietet sich ein hübscher Querverweis an, hatte am Schauspielhaus doch gerade erst eine sehr reduzierte Version des Shakespeare-Stoffes Premiere. Der Haubentaucher berichtete. Vielleicht hätten die Hintergrunderzählungen des Michael Köhlmeier einen Teil des Premierenpublikums besänftigt, denn eindrücklich schildert er die Liebe und die Gewalt im Werk, die Morde und die Todesfälle.

Der Werther war wiederum seinem Autor bald zu viel des Guten. Selbst Napoleon wollte Goethe unbedingt kennenlernen, weil er seinen Bestseller so schätzte. Und etliche junge Männer nahmen sich das Leben nach der Lektüre, so will es jedenfalls die Legende. Goethe war das herzlich egal, so Köhlmeier, er hätte sogar gemeint wegen einigen verirrten Dummköpfen sei Aufregung nicht angebracht. Auch sehr sympathisch eigentlich. Der Zwist zwischen Goethe und Kleist ist dann auch noch ein Nebenschauplatz, aber eigentlich geht es ja doch immer um die große Liebe, die zu Verzweiflung führen kann oder aber zu ausgedehnten Wanderungen.

Eine solche beschreibt Köhlmeier am Ende seines Auftritts. Er erzählt die Geschichte seiner Eltern, speziell seiner Mutter. Die mutige Frau ging einst von Coburg nach Hard in Vorarlberg, um nach dem Krieg ihren Mann wieder zu finden. Diese Liebesgeschichte, das Schicksal seiner Mutter und sein eigenes als kleines Kind, das so vor dem Publikum auszubreiten, erfordert auch Courage und Können gleichermaßen.

Zum Finale gibt es großen Applaus und einen gerührten Autor, der hoffentlich bald wieder mit einigen seiner Geschichten nach Graz kommt.

 

Foto von Amrei-Marie – File:Michael_Köhlmeier_2021.jpg, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=117786944

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