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Dramen, die das Leben schrieb Theater

Monoblocs auf schiefer Ebene

Les Blancs. Drama von Lorraine Hansberry. Deutschsprachige Erstaufführung am Schauspielhaus Graz

Die Autorin erlebte eine kurze Zeit des Ruhms. Ihr Stück A Raisin in The Sun wurde zum großen nationalen und internationalen Erfolg. Endlich hatte es eine Afroamerikanerin geschafft, am Broadway aufgeführt zu werden. Doch 1965 starb Hansberry mit nur 34 Jahren an Krebs. Ihr Werk Les Blancs wurde 1970 posthum erstmals aufgeführt und verschwand danach weitgehend aus der Wahrnehmung. Ob zurecht oder nicht, das wird nach dieser Aufführung sicherlich noch intensiver diskutiert werden.

Es geht um ein fiktives afrikanisches Land, um drei Brüder, die sich mit den weißen Machthabern auf sehr unterschiedliche Weise arrangieren bzw. zusammenraufen. Es geht um den amerikanischen Journalisten Morris, der auf der Suche nach der Wahrheit ist und sich selbst als einen der Guten sieht. Es geht um den kriegslüsternen Major, um den Missionar, der mit der Einrichtung eines Hospitals als Wohltäter dasteht und dennoch eine düstere Agenda verfolgt. Und es geht um Peter, vielleicht die spannendste Figur auf der Bühne, der so tut, als sei er ein treuer Diener seiner weißen Herren, in Wahrheit aber ist er ein Revolutionär.

Schauspielhaus-Intendantin Andrea Vilter suchte und fand mit der südafrikanischen Regisseurin MoMo Matsunyane eine Frau, die ihre Vision von der Kraft und der Unvergänglichkeit dieses Stoffes teilte. In den Presseunterlagen wird Matsunyane wie folgt zitiert: „Es ist unglaublich, dass das Stück über sechzig Jahre nach dem Tod seiner Autorin noch so lebendig ist.“  Wer sind wir, um dies in Zweifel zu ziehen?

Wir tun es trotzdem. Das Stück ist wenigstens in unseren Augen voller holzschnittartiger Charaktere, es ist langatmig, zerfasert und durch die Abstraktion verliert es auch einen Großteil seiner Aussagekraft. Es ist ein typisches Stück seiner Zeit, aber es ist gerade dadurch eben nicht gut gealtert. Es wird zwar getanzt und musiziert, auch geschrien, aber hauptsächlich wird: Geredet, geredet, geredet.

„Unser Gespräch führt zu nichts“, sagt der junge Vater Tshembe Matoseh zum weißen Journalisten Morris. Leider gilt das auch für einen beträchtlichen Teil des Abends, der sich mit Pause auf fast drei Stunden zieht. Dabei ist die Thematik – und da hat Matsunyane natürlich vollkommen recht – nach wie vor aktuell und schockierend. In vielen afrikanischen Ländern wirkt der Kolonialismus nach und wird durch neue Formen der Ausbeutung und Unterdrückung noch verstärkt. Die nächste Welle der Eroberung läuft bereits, nur sind es diesmal „Investoren“ und „Missionare“ aus anderen Teilen der Welt, die für Zerstörung und Armut sorgen.

Das alles rettet aber die Inszenierung am Schauspielhaus nicht. Lobend hervorheben sollte man Bless Amada, der als Tshembe Matoseh für viel Bewegung sorgt und die Konflikte seiner Figur sehr deutlich macht. Auch Musiker Seydou Traoré und Lulu Mlangeni als geheimnisvolle Woman sollen explizit erwähnt werden. Enttäuschend ist das Bühnenbild, das sich dem Geschehen weitgehend anpasst. Ein Haufen weißer Plastik-Monobloc-Sessel auf einer schiefen Ebene ist so ziemlich alles, was es in den 2 Stunden 50 zu sehen gibt.

Andrea Vilter will am Schauspielhaus den traditionellen Kanon hinterfragen. Welche Stücke überleben ihre Autor:innen und werden zu „Bestsellern“, welche gehen unverdient unter. Dieser originelle Gedanke führt zwangsläufig zu Experimenten. Und das kann manchmal gut gehen – und manchmal nicht. Im Falle von Les Blancs würden wir davon ausgehen, dass eine Aufnahme in den besagten Kanon um Jahrzehnte zu spät käme. Was nicht heißt, dass eine andere Perspektive als hierzulande am Theater üblich, konkret der Blick auf Afrika, nicht notwendig und sinnvoll sind. Nur halt nicht so.

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Foto: Lex Karelly
Infos & Tickets: https://schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com

 

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